Es ist eine kaum vorstellbare Zahl: 42,5 Millionen
Menschen irren derzeit auf der Flucht vor Gewalt, Hunger und Armut
über diesen Planeten – Frauen, Kinder, alte und junge Männer. Das
entspricht der kompletten Bevölkerung Spaniens oder Argentiniens. Die
Zahl der neu heimatlos Gewordenen ist 2011 auf ein trauriges
Zehn-Jahres-Hoch geklettert, und ein Ende ist nicht absehbar: In den
labilen oder zerfallenden Staaten Syrien, Mali, Birma wird sich noch
steigern, was der UN-Flüchtlingskommissar Guterres „Leid epischen
Ausmaßes“ nennt. Dabei neigt der frühere portugiesische
Regierungschef nicht zur Dramatisierung. Er erwähnt nämlich auch,
dass das internationale Schutzsystem „in den meisten Fällen“
funktioniert habe, die Grenzen also für die Flüchtenden offen
geblieben sind. Damit freilich wurde das Elend nur kanalisiert, aber
kaum gelindert. 300.000 Euro stellt die UNO-Flüchtlingshilfe etwa für
die Vertriebenen aus Mali zur Verfügung – das entspricht etwas mehr
als einem Euro pro Kopf. Angesichts der Summen, die für militärische
Interventionen mit humanitärem Ziel ausgegeben werden, ist es
verlockend, diese in Bausch und Bogen zu verdammen. Erst recht, wenn
noch die größten Flüchtlingskontingente aus Afghanistan, Irak,
Somalia und der Demokratischen Republik Kongo kommen – allesamt
Staaten, in denen sich internationale Militärmissionen bemühen oder
bemüht haben, Frieden und Stabilität zu schaffen. Doch die Ursachen
sind zu komplex, um eine einfache, polemische Rechnung aufzumachen.
Die allermeisten Afghanen etwa sind schon nach dem sowjetischen
Einmarsch 1979 oder während des späteren Bürgerkrieges geflohen. Die
Intervention seit 2001 dient auch dem Ziel, das Land so zu
stabilisieren, dass sie zurückkehren können. Das ist längst noch
nicht erreicht und auch nicht von reiner Nächstenliebe getragen.
Dahinter steckt vielmehr die Erkenntnis, dass Extremismus dort am
besten gedeiht, wo Flüchtlingselend sich in jahrzehntelangem
Lagerleben verstetigt. Das kann man nicht nur in Afghanistans
Nachbarstaat Pakistan besichtigen, sondern auch im Libanon oder in
Kenia. Aktive Flüchtlingspolitik, die ziviles und militärisches
Fachwissen vernetzt, ist intelligente Weltpolitik und deshalb auch
jeden Euro wert.
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