Weser-Kurier: Kommentar zur Mahnung des Rechnungshofs

Es gibt viele Aufgaben, die man nicht unbedingt
haben will. Dazu gehört auch die Aufgabe der
Rechnungshof-Mitarbeiter. Selbst wenn es großes Vergnügen bereiten
mag, berufshalber kleinkariert zu sein. Die Frustrationstoleranz der
Rechnungshof-Mitarbeiter muss beachtliche Ausmaße haben:
Rechnungshöfe sind zahnlose Tiger. Einsame Rufer in der Wüste. Könige
ohne Land. Wer wüsste das nicht besser als die Bremer? Das Land ist
seit Jahrzehnten legendär klamm, wenn nicht insolvent. Doch bislang
ist nicht ein Prüfbericht erschienen, der den Bremern sparsame und
weitsichtige Haushaltsführung attestieren konnte. Und der Bund?
Ebenfalls verschuldet. So sehr und so chronisch, dass sich der
Bundesrechnungshof schon lange nicht mehr am Schuldenstand
abarbeitet. Sondern nur noch an der Netto-Neuverschuldung – an den
Schulden, um den der enorme Berg wächst. Er wächst, weil Deutschland
den Euro stabilisieren muss. Aber wächst auch, weil die Regierung
sich Wählerstimmen erkaufen will. Oder auch – siehe Betreuungsgeld –
die Gunst der Koalitionspartner. Das ist nicht neu, aber konsequent –
konsequent verantwortungslos. Die Mahnungen des Rechnungshofs und der
Bundesbank kommen dennoch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt –
allein aus psychologischen Gründen. Deutschland steht gut da. Die
Konjunktur brummt. Die Löhne steigen. Die Steuereinnahmen auch. Im
europäischen Vergleich glänzt die Nation wie ein Edelstein zwischen
lauter Kieselsteinen. Und ein Ende scheint nicht in Sicht. Gegen alle
Unkenrufe, gegen alle Prognosen trübt sich kein Klima ein, schwächt
sich kein Aufschwung ab. Es scheint, als könne dieses Land jedem
Orkan trotzen. Und jeden Schuldenberg bezwingen. Das mag sogar sein.
Nicht in absehbarer Zeit, kaum in diesem Jahrhundert. Doch selbst
wenn die Neuverschuldung sinken sollte – es bleiben 40 Milliarden
gute Gründe, konsequentes Sparen einzufordern. Denn rund 40
Milliarden Euro zahlt der Bund allein an Zinsen pro Jahr. Dafür hätte
man sehr viele Kita-Plätze schaffen können. Der Rechnungshof mahnt
genau das an. Unermüdlich. Vielleicht auch unendlich.

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