Man mag ja über die Langsamkeit bundesdeutscher
Gerichte trefflich klagen. Und über manchmal skurril-lebensfremd
anmutende Urteile den Kopf schütteln. Aber beim Blick auf diverse
internationale Prozesse verstummt die Kritik an hiesigen Gerichten
sofort: In vielen Staaten nutzen die Mächtigen die Gerichte ohne
Skrupel als politische Waffe. Dass Schuldsprüche schon vor
Prozessbeginn feststehen, gab es freilich auch in der deutschen
Geschichte – glücklicherweise aber sind diese Zeiten im Westen seit
1945 und im Osten seit 1989 vorbei. Weltweit aber gilt die Justiz in
vielen Staaten weiterhin als probates Instrument des Machterhalts. Ob
Julia Timoschenko in der Ukraine, Michail Chodorkowski und die „Pussy
Riot“ in Russland oder die Frau des in Ungnade gefallenen
KP-Funktionärs Bo Xilai in China: Recht und Gerechtigkeit spielen vor
Gericht nur eine Nebenrolle. Entscheidend ist vielmehr, mit welchem
Auftrag von teilweise ganz oben die Richter in die Verhandlungen
gehen. Eine solche Unrechtsjustiz empört. Es ist aber ebenso
empörend, wie zurückhaltend die westliche Diplomatie auf politische
Justiz reagiert. Gerade Deutschland müsste aufgrund seiner Geschichte
viel deutlicher werden als nur „mit Sorge“ beispielsweise auf die
Verurteilung und Inhaftierung der früheren ukrainischen
Ministerpräsidentin zu reagieren. Auch als sich der russische
Präsident Wladimir Putin bei einem öffentlichen Auftritt während der
Olympischen Spiele zum obersten Richter seines Riesenreichs
aufschwang und den Strafrahmen für die „Pussy Riot“ festlegte,
blieben westliche Politiker stumm. Und sie sagten auch nichts, als
Chinas Staatsagentur Xinhua schon vor Wochen Bo Xilais Frau Gu Kailai
schuldig sprach – obwohl erst gestern der Prozess stattfand. Dieses
Schweigen ist Beihilfe zum Unrecht. Und zeigt einmal mehr, wie sehr
der Westen das Recht guten Wirtschaftsbeziehungen unterordnet.
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