Er geht! Überrascht dürfte am Ende kaum noch jemand
von der Nachricht gewesen sein, dass VW-Chef Martin Winterkorn seinen
Posten räumt. Diese Entscheidung ist eine überfällige Konsequenz
dessen, was in den vergangenen Tagen passiert ist. Und sie ist eine
logische Folge dessen, wie wir – die Gesellschaft – schon seit
Jahrhunderten gestrickt sind: Läuft etwas gehörig daneben, dann muss
es einen geben, auf den wir mit dem Finger zeigen und den wir
bestrafen können. So einfach ist das System. Erinnern wir uns.
Freitagabend begann alles mit einer kurzen Notiz. Die
US-Umweltbehörde EPA wirft dem Autobauer Verstöße gegen das
Klimaschutzgesetz vor und fordert den Konzern auf, knapp 500
Fahrzeuge in Kalifornien zurückzurufen. So weit, so gewöhnlich. Doch
die Dynamik, die danach in Gang gesetzt wurde und die bis zuletzt
immer weiter an Fahrt aufgenommen hat, hat es in den vergangenen
Jahren in der deutschen Wirtschaft nicht mehr gegeben: ein
Aktiencrash von fast 40 Prozent, das Einschalten ranghöchster
Politiker, weltweite Ermittlungen und eine drohende Geldstrafe von
bis zu 18 Milliarden Dollar. Es war reichlich naiv von Winterkorn zu
glauben, dass er an seinem Amt kleben kann. Bei einem Skandal in
einer solchen Größenordnung reicht es nicht aus, mal eben hier einen
US-Manager oder da einen Bereichsleiter zu feuern. Bei einem
Ereignis, das gleichermaßen Deutschland, die USA, Brasilien oder auch
China erschüttert, muss derjenige den Hut nehmen – und das ist
selbstverständlich -, der weltweit für einen Konzern steht, der die
Verantwortung trägt. Im Fall VW: Martin Winterkorn. Winterkorn ist
mit Sicherheit kein Unschuldslamm. Ob er über die Manipulationen
wirklich nicht informiert war, ist mehr als zweifelhaft. Aber am Ende
war schon längst nicht mehr die Rede davon, wer was wann wusste. Am
Ende ging es nur noch darum, dass Köpfe in Verantwortung rollen. Denn
das ist letztendlich das Einzige, was die aufgebrachte Menge – eine
undurchsichtige Masse aus Politikern, Wirtschaftsexperten und
Otto-Normal-Verbrauchern – befrieden kann. So war es immer, und so
muss es sein. Wir sind einfach gestrickt.
Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion@Weser-Kurier.de