Weser-Kurier: Zum Schuldneratlas schreibt Silke Hellwig:

Die Bürger Bremens sind Negativrekorde gewohnt. Das
liegt tragischerweise allerdings vor allem daran, dass ein
Negativrekord oft andere nach sich zieht – am Beispiel der
Verschuldung zeigt sich die Misere: Eine hohe Arbeitslosen- und eine
noch höhere Armutsquote führen oft zu einer hohen Verschuldungsquote.
Mit wenig Geld auszukommen, ist nämlich alles andere als einfach und
will gelernt sein. Heute vermutlich mehr denn je, wo man sich Status
und Selbstbewusstsein anscheinend erkaufen kann, wo Banken und
Kaufhäuser ungehemmt mit Konsumkrediten locken und Wörter wie „holen“
oder „gönnen“ als Synonym für kaufen gelten. Nicht nur Bildungsferne
und Armut, sondern auch das Schuldenmachen wird so von Generation zu
Generation weitergegeben. Was Lucachen nicht lernt, lernt Luca
nimmermehr. Es sei denn, der Staat sieht sich in der Verantwortung,
derartige Spiralen zu durchbrechen und Kindern in der Schule
mitzugeben, was sie Zuhause nicht mitbekommen. Es gibt Pilotprojekte
zum Schulfach Geld, dabei wäre es schon hilfreich, kein Kind aus der
Schulpflicht zu entlassen, das nicht errechnen kann, wie viele Zinsen
in Euro fällig werden, wenn das Konto überzogen ist. Und das wäre nur
ein Anfang: Tatsächlich muss heute, wo man sich angeblich „glücklich
kaufen“ kann, zu einer Reifeprüfung auch der Nachweis gehören,
abwarten, Nein sagen, Verlockungen widerstehen zu können. Denn bis
zur Halskrause verschuldet sind die heute Jungen ohnehin schon, samt
Enkel und Urenkel, ohne ihr Zutun. Sie erben staatliche Schulden und
Zinsen, die Bremer bekanntlich besonders üppig. Sie werden vermutlich
mehr Steuern für weniger Daseinsfür- und -vorsorge zahlen und privat
mehr für- und vorsorgen müssen. Wer diese schwere Hypothek stemmen
will, kann sich private Schulden nicht leisten. Zumal die Hypothek
nicht nur auf Eigentum gründet, sondern vor allem auf Maßlosigkeit.

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