Westdeutsche Zeitung: Auf den Kameraden folgt ein Chef = Von Wolfgang Radau

Das ging schnell. Nach Ablauf einer Nacht
präsentierte die vielfach als Zauderin gescholtene Bundeskanzlerin
eine ebenso schlüssige wie koalitions-verträgliche Nachfolge-Regelung
für das Amt des Verteidigungsministers. Die Bundeswehr bekommt nach
dem Kameraden zu Guttenberg nun den Chef de Maizière. Er gehört zu
den engen Vertrauten der Kanzlerin, bei ihm weiß sie die
Herkules-Aufgabe „Umbau der Bundeswehr“ in guten Händen. De Maizière
ist einer, der in Ruhe und vor dem Hintergrund vielfältiger
politischer Erfahrung die Dinge bedenkt, bevor er Lösungen verkündet.
Einer, der mutmaßlich auch die Größe besitzt, bereits gepackte Pakete
noch einmal aufzuschnüren, wenn das der Bundeswehr und dem Land
nützt. Mit viel Fingerspitzengefühl hat die Kanzlerin auch die durch
den Verlust ihres Hoffnungsträgers tief getroffene bayerische
Schwesterpartei behandelt. Sie hat der CSU nicht zugemutet, einen der
Ihren in die Fußstapfen der Pop-Ikone zu Guttenberg zu stellen. Der
Neue wird im Zuge der Bundeswehr-Reform nicht um die Grausamkeit
herumkommen, bayerische Traditions-Garnisonen aufzulösen. Dafür
eignet sich besser ein Preuße. Balsam auf die Seele der
Christsozialen ist die Entscheidung, im Tausch für das
Verteidigungsministerium einem Bayern das Innen-Ressort
anzuvertrauen. Innere Sicherheit ist traditionell ein Herzensanliegen
der auf Recht und Ordnung bedachten Bajuwaren. Wobei sich niemand in
dem neuen Amtsinhaber täuschen sollte: Hans-Peter Friedrich gilt als
besonnen und liberal, er kennt den Politik-Betrieb aus seiner
Funktion als Landesgruppenchef der CSU im Bundestag – und hat auch
schon mal öffentlich von Kanzlerin Merkel mehr Führungsstärke
eingefordert. Was ihm offensichtlich nicht geschadet hat. Man mag
bedauern, dass die Politik um ein Talent ärmer geworden ist und an
Unterhaltungswert verloren hat. Aber die Regierung hat auch die
Chance bekommen, unglückliche Personalentscheidungen zu Kundus und
zur Gorch Fock neu zu bewerten und bei der Neuordnung der
Streitkräfte unbefangen auf die Argumente der Opposition einzugehen.
Regierungen kommen und gehen, aber Verteidigungspolitik ist ein
Geschäft über den Tag hinaus.

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