Von wegen Ruhestand! Der Chef der Deutschen
Bank, der Schweizer Josef Ackermann, legt im Mai 2012 mit dann 64
Jahren erst noch mal richtig los. Die Reizfigur eines Bankers für
viele Deutsche, für einige sogar ein Feindbild, hat erneut einen
Machtkampf gegen den farblosen Kontrahenten Clemens Börsig (heute 63)
gewonnen und drängt ihn vom Posten des Aufsichtsratschefs der
Deutschen Bank. Zuvor hatte Ackermann ein paar Dienstjahre angehängt,
damit Börsig nicht Chef wird.
Seine Kritiker halten Ackermann bis heute das „V-Zeichen“ beim
Beginn des Mannesmann-Prozesses 2004 vor. Das aus zwei Fingern
gebildete Siegeszeichen hielten viele für Arroganz. Das Verfahren
wurde später gegen Geldauflagen eingestellt. Viele Deutsche beneiden
ihn ferner um sein Millionengehalt. Für Unmut sorgte auch die
Ankündigung seines Renditeziels von 25 Prozent bei gleichzeitiger
Bekanntgabe eines Abbaus tausender Stellen bei der Bank.
Bundeskanzlerin Angela Merkel verprellte er in der Krise mit der
Ablehnung des Rettungsschirms, obwohl er ihn selbst mit ausgehandelt
hatte.
Dennoch ist der „Joe“, wie seine Freunde ihn nennen, privat ganz
anders als die meisten ihn sich vorstellen. Er kann charmant sein,
hat Charisma und verfügt über nicht enden wollende Netze und
Seilschaften bis in die höchsten wirtschaftlichen und politischen
Kreise. Ackermanns Wort zählt, auf ihn wird gehört, ihm wird
vertraut. Einen solchen Mann kann weder die Bank noch Deutschland
einfach zurück in sein „Heidiland“ ziehen lassen. Er wird dringend
gebraucht, zumal die Euro-Krise noch längst nicht durchgestanden ist.
Allein der Fall Griechenland wird uns noch jahrelang begleiten.
Ackermann wird also weiter den Prellbock spielen und Deutschland
in der Finanzwelt vertreten. Dass dabei Aktienrecht unterlaufen wird
und er ohne zweijährige „Abkühlphase“ direkt an die
Aufsichtsratsspitze des Instituts tritt, ist ein Schönheitsfehler.
Der Trick, extra die Zustimmung der Aktionäre einzuholen, wird
genutzt. Stimmen 25 Prozent zu, gilt die Wahl. Deswegen hatte
Ackermann auch so lange gezögert. Allerdings sind andere, wie etwa
der frühere Thyssen-Krupp-Chef, diesen Weg bereits vor ihm gegangen.
Dieser direkte Wechsel sollte aber nicht wieder zur Norm werden.
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