Westdeutsche Zeitung: Bundeswehr-Affären auf der Gorch Fock und in Afghanistan = von Horst Kuhnes

Meuterei auf der Gorch Fock, Deutschlands
bekanntestem und traditionsreichstem Schiff – träfe es denn
tatsächlich so zu, wäre dies ein geradezu ungeheuerlicher Vorfall.
Ein Vorfall, der weit über die strafrechtliche Bedeutung hinausginge,
und zwar aus historischen Gründen. Denn die letzte bekannte Meuterei
bei der deutschen Marine fand zum Ende des ersten Weltkriegs im
Oktober 1918 statt, als es auf Schiffen der Kaiserlichen Marine zu
Befehlsverweigerungen kam. Dieser Kieler Matrosenaufstand weitete
sich binnen weniger Tage zur Novemberrevolution aus, die zum Sturz
der Monarchie führte. Von solcher Dimension ist das Geschehen an Bord
der „Gorch Fock“ allerdings weit entfernt – zumal im juristischen
Sinne nicht jede Befehlsverweigerung gleich eine Meuterei ist, ebenso
wenig wie nicht jedes Tötungsdelikt gleich auch ein Mord. Unstrittig
ist allerdings, dass es nach dem tödlichen Sturz der Kadettin auf der
„Gorch Fock“ zu mutmaßlich strafrechtlich relevanten
„Meinungsverschiedenheiten“ zwischen Schiffsführung und Teilen der
Besatzung kam. Zusammen mit weiteren, jetzt bekannt gewordenen
Vorwürfen über sexuelle Belästigung eines Offiziersanwärters und
allgemein hohen Druck bis hin zur strafrechtlich relevanten Nötigung
Einzelner bringt dies die Führung des Dreimasters in eine Schieflage.
Auch Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg (CSU) gerät dadurch in
schwere See. Denn nicht nur das Geschehen auf der „Gorch Fock“,
sondern noch weitere Vorfälle aus jüngster Zeit belasten das Ansehen
der Bundeswehr – insbesondere der Tod eines 21-jährigen
Bundeswehrsoldaten in Afghanistan kurz vor Weihnachten. Nach einem
jetzt bekannt gewordenen Untersuchungsbericht kam der Hauptgefreite
ums Leben, weil er und seine Kameraden mit scharfen Waffen gespielt
hatten. Für Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist die
Sache heikel: Erneut steht seine Truppe, aber auch er selbst, im
Verdacht, unangenehme Details zurückgehalten zu haben. Dazu zählen
auch die ungeklärten Öffnungen von Feldpostbriefen. Die Opposition
wird nun versuchen, den Minister dafür politisch haftbar zu machen.
Entgehen kann Guttenberg dem nur durch eines – rückhaltlose
Aufklärung.

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