Das Ritual ist eigentlich nicht neu: Immer,
wenn die Europäische Zentralbank in der Vergangenheit den Leitzins
gesenkt hat, schmolzen kurz darauf die Zinsen für Tages- und
Festgelder dahin. Die Zinsen für Dispo-Kredite aber verharrten noch
längere Zeit auf ihrem höheren Niveau. Das war für die Kunden schon
immer ärgerlich. Doch die jüngste Untersuchung von Stiftung Warentest
zeigt, dass sich diese Entwicklung zugespitzt hat – noch nie waren
die Differenzen so hoch. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der
die Europäische Zentralbank mit historisch niedrigen Zinssätzen die
Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise abmildert. Banken konnten
sich noch nie so günstig Geld besorgen wie im Augenblick. Nur der
Kunde, der profitiert nicht davon. Solche Geschäftspraktiken führen
angesichts der Tatsache, dass so einige Geldinstitute vor nicht allzu
langer Zeit mit Staatsgeldern gerettet werden mussten, zu einem
neuerlichen Vertrauensverlust der Verbraucher in die Finanzbranche.
So manche Imagekampagne könnte noch erfolgreicher sein, wenn die
Banken ihren Kunden im Alltag als verlässlicher Partner
entgegentreten würden. Dass sich die Banken das höhere Risiko, das
mit Dispo-Krediten verbunden ist, bezahlen lassen, ist durchaus
legitim. Immerhin werden solche Kredite ohne zusätzliche Sicherheiten
von den Geldinstituten gewährt. Doch zweistellige Dispo-Zinssätze
lassen sich derzeit allein mit solchen Gründen wohl kaum erklären –
zumal die Untersuchung von Stiftung Warentest zeigt, dass es
Finanzinstitute in Deutschland gibt, die mit Dispo-Zinsen im
einstelligen Prozent-Bereich am Markt vertreten sind. Ist nun aber
gleich wieder der Gesetzgeber am Zug, wie es viele fordern? Nicht
unbedingt. Zum einen haben die Kunden durchaus Möglichkeiten, teuren
Anbietern die rote Karte zu zeigen. Sie können zu günstigeren
Konkurrenten wechseln und somit den Wettbewerb unter den Banken
verschärfen. Zudem klagt die Verbraucherzentrale NRW bereits gegen
zwei Institute, weil deren Klauseln zur Zinsanpassung ihrer
Einschätzung nach die Kunden benachteiligen. Und nicht zuletzt gibt
es in Deutschland eine Finanzaufsicht, die diese Geschäftspraxis ins
Visier nehmen kann.
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