Wer sollte sich über den neuen Biosprit
aufregen? Schließlich liegen die Fakten doch auf der Hand, wie das
Bundesumweltministerium in seiner Broschüre über E10 erkärt. Ganz
klar, bei der Verbrennung von Bioethanol wird nur so viel
Kohlendioxid ausgestoßen, wie die Nutzpflanze während ihres Wachstums
aufgenommen hat. Doch jenseits dieser klimafreundlichen
Hochglanz-Logik gibt es gewichtige Argumente gegen das neue Benzin.
Tatsache ist: Um den wachsenden Energiebedarf des Autoverkehrs zu
befriedigen, müssen in den nächsten Jahren riesige
landwirtschaftliche Flächen mit Weizen, Zuckerrüben und Mais
kultiviert werden. Allein das erzeugt mehr Kohlendioxid, als
Autofahren mit Biosprit einspart. Zugleich drängt das Geschäft mit
der Biomasse die Nahrungsmittel- und Futtermittelproduktion zurück,
wodurch die Lebensmittelpreise weltweit drastisch steigen – mit
verheerenden Folgen für die Menschen in Entwicklungsländern. Auch
bleibt völlig unklar, wie sich das neue Mischungsverhältnis im Benzin
auf die Zusammensetzung der Abgase auswirkt. So warnen Experten vor
erhöhten Konzentrationen von Blausäure und Ozon. Zu diesen Einwänden
schweigt die Politik. Überhaupt versäumten es Berlin und Brüssel in
den vergangenen Monaten, die Autofahrer vor Einführung des neuen
Benzins umfassend zu informieren. Offenbar war es die Absicht, so
wenig Lärm wie möglich zu machen, um Debatten über Kosten und Nutzen
von E10 gar nicht erst aufkommen zu lassen. Denn rückte das Thema ins
öffentliche Interesse, wäre das grüne Deckmäntelchen wohl schnell
gelüftet. Der Politik dürfte es nicht um Klimaschutz gehen, sondern
darum, die Wirtschaft aus der Abhängigkeit fossiler Energien zu
führen. Dabei beschreitet sie einen Irrweg. Zwar werden die Ölquellen
bald versiegen, doch wer den globalen Straßenverkehr bis dahin auf
Biomasse umstellen will, überfordert die Möglichkeiten unseres
Planeten. Europas Regierungen sollten sich auf die Förderung der
Elektromobilität und neuer Verkehrskonzepte konzentrieren, statt
einen Treibstoff einzuführen, der der Umwelt nicht hilft – aber die
Verbraucher am Ende teuer zu stehen kommt.
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