Dem vielstimmigen Orchester fehlt ein Dirigent.
Aber derzeit ist in der Bundesregierung weit und breit keiner zu
sehen, der aus der schwarz-gelben Kakophonie einen Einklang machen
könnte. Die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, die
unausgegorene, kaum erkennbare Atompolitik und die Giftpfeile aus den
eigenen Reihen haben Angela Merkel und Guido Westerwelle offenbar so
sehr zugesetzt, dass sie das Heft des Handelns nicht mehr in die Hand
bekommen. Dabei geht es der Kanzlerin noch vergleichsweise gut. In
ihren Reihen findet sich niemand, der auch nur annähernd in ihre
Fußstapfen treten könnte. Bei ihrem Stellvertreter ist das ganz
anders. Teile der FDP fordern unverhohlen, Generalsekretär Christian
Lindner möge den Parteivorsitz übernehmen. All das wirkt so
konzeptlos wie der Sinneswandel der Liberalen in der Atomdebatte. Das
ist schädlich. Denn dieses Thema hat es spätestens seit den
katastrophalen Ereignissen von Fukushima verdient, nüchtern,
sachlich, unparteiisch und ergebnisorientiert betrachtet zu werden.
Atomkraft ist bei weitem nicht so sicher, wie viele Menschen in den
Industrienationen bisher geglaubt haben. Also ist es richtig,
mittelfristig auf Alternativen zu setzen. Dass dies kurzfristig
unmöglich ist, hat selbst die rot-grüne Bundesregierung mit ihrem
Ausstiegsszenario eingeräumt. Zu der notwendigen Debatte um Atomstrom
gehört auch Verständnis für den Widerstand der Stromkonzerne. Denen
sind Laufzeiten zugesichert worden, die nun nicht mehr gelten sollen.
Also steht ihnen sehr wahrscheinlich eine Entschädigung zu, die
üblicherweise auf Kosten der Steuerzahler geleistet wird. Das mag
alle ärgern. Aber auf Gesetze muss sich jeder verlassen können. Auch
Stromkonzerne. Vor dem Hintergrund von parteipolitischem Gezänk,
Kritik aus der Wirtschaft und verwirrendem Aktionismus täte der
Debatte nun eine Pause gut, eine Zeit, in der sich alle Akteure
darauf besinnen können, auf welchem Weg sie Deutschlands
Energieversorgung dauerhaft sicher, sauber und bezahlbar machen
wollen. Danach könnte es dann um den Wettstreit von Ideen gehen und
nicht mehr um den Streit um Posten. Das diente der Sache. Und die
Wähler würden es ihren Politikern danken.
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