Westdeutsche Zeitung: Die Familienförderung wird plötzlich zum Wahlkampfthema – Mit Geld allein ist es nicht getan Ein Kommentar von Martin Vogler

Die Regierung hält angeblich eine Studie, die
ihre Familienpolitik abstraft, bewusst bis nach dem Wahltermin im
September zurück. Wenn das stimmt, wäre es ein Skandal.

Alles Unsinn, sagt das Familienministerium. Es gebe noch nicht
einmal einen Zwischenbericht, die Gutachter hätten ihre Arbeit nicht
abgeschlossen. Wenn das wiederum stimmt, wäre es sinnvoll, nicht über
Unausgegorenes zu diskutieren.

Doch wie die Wahrheit auch aussieht: Es sind wichtige
Informationen aus dem eigentlich vertraulichen Expertengremium nach
draußen gedrungen. Deshalb ist die Diskussion nicht zu stoppen. Und
die Bundesregierung mit der zuständigen Ministerin Kristina Schröder
ist gut beraten, sich der Debatte zu stellen. Jetzt zu mauern, wäre
unfair und sogar ungeschickt, weil sie kampflos die Deutungshoheit
anderen überließe. Die vermeintlich viel zu teure, uneffektive und
falsch eingesetzte Förderung von Familien hat das Potenzial, zu einem
Schlüsselthema im Wahlkampf zu werden.

Wahrscheinlich wird sich die Regierung auch aus einem anderen
Grund nicht mehr lange gegen die Debatte wehren. Denn die Kritik der
Fachleute soll sich nicht ausschließlich mit der aktuellen Politik
befassen. Von einer Generalabrechnung über die vergangenen 60 Jahre
ist die Rede. Und da gab es sehr unterschiedliche Machtverhältnisse.

Wenn bereits vor der Wahl Bewegung in die Familienpolitik kommt,
kann das nur gut sein. Denn die gesellschaftlichen Verhältnisse haben
sich in Zeiten von immer mehr Patchwork-Familien oder
Alleinerziehenden gewandelt. Die Politik muss bald überlegen, ob und
wie sie darauf reagiert. Und wenn es in Deutschland – wie behauptet –
tatsächlich mehr als 160 unterschiedliche Förderungen für Familien
gibt, dann könnte ein wenig Entrümpeln nicht schaden.

Das Motto muss lauten: Neuordnung ja, Schnellschüsse nein. Denn
zum Beispiel hat auch das aktuell kritisierte Ehegattensplitting
gesamtgesellschaftliche Vorteile. Sogar für das schwer vermittelbare
Betreuungsgeld lassen sich Argumente finden.

Gelegentlich klingt die Debatte so, als könne man eine hohe
Geburtenrate erkaufen. Doch zu einer familien- und kinderfreundlichen
Gesellschaft gehört mehr als Geld allein.

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