Die Gesundheitskarte gilt als schlau, wird aber
leider in eine dumme Welt hineingeboren. So ähnlich bringt ein
Experte das Dilemma auf den Punkt. Denn eigentlich kann das neue
Wunderding ganz viel, zum Beispiel Leben retten. Oder zumindest dafür
sorgen, dass jeder behandelnde Arzt alle wichtigen Informationen über
einen Patienten vorliegen hat. Also ist die Karte ein Segen?
Leider nur bedingt. Denn dass jetzt eilig sieben Millionen von ihr
ausgegeben werden, hat nichts damit zu tun, dass das Kärtchen die
Marktreife erreicht hat. Es fehlt noch viel Infrastruktur drumherum.
Beispiel: Selbst wenn auf einem Chip gespeichert ist, welche
Medikamente der Patient regelmäßig nimmt, erfährt das ein neuer Arzt
nicht, weil es noch an den passenden Lesegeräten in den Praxen fehlt.
Der gesunde Menschenverstand würde deshalb empfehlen, mit der
Ausgabe der Karten noch zu warten. Doch das geht nicht, weil die
Regierung den Kassen saftige Strafen androht, wenn sie nicht noch
2011 zehn Prozent verteilen. Aus staatlicher Sicht ist solches
Handeln verständlich, weil man nach acht Jahren Entwicklungszeit
endlich mal etwas Druck auf das Projekt geben wollte. Sinnvoll ist
die Hektik vor allem unter Marketinggesichtspunkten nicht. Die Karte
wird, weil sie so wenig nutzt, sofort ein Imageproblem bekommen.
Die schleppende Einführung hat nicht nur mit technischen Problemen
zu tun. Denn auch in Zeiten, in denen Menschen in sogenannten
sozialen Netzwerken und beim Telefonieren in der Öffentlichkeit
hemmungslos allzu Privates preisgeben, muss bei solch einem Projekt
auf den Datenschutz geachtet werden. Das braucht richtigerweise Zeit.
So ist es sinnvoll, Ärzten und Apothekern einen kompletten Überblick
über jahrzehntelange Patientenkarrieren zu geben. Einen potenziellen
Arbeitgeber zum Beispiel gehen solche Infomationen hingegen nichts
an. Dem müssen die Entwickler der Karte mit umfangreichen
Sicherungsinstrumenten im Sinne der Betroffenen vorbeugen.
Doch insgesamt überwiegen die Vorteile. Insofern ist zu wünschen,
dass bald nicht nur sieben, sondern 70 Millionen Karten kursieren.
Und wenn sich auf ihnen noch die Information fände, ob der Besitzer
zur Organspende bereit ist. Um so besser.
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