Westdeutsche Zeitung: Die Piraten stehen vor dem Einzug in den NRW-Landtag = Von Frank Uferkamp

Drei Wochen vor der Landtagswahl scheint ein
Gewinner schon festzustehen: Die Piraten werden mit großer
Wahrscheinlichkeit im nächsten Landtag sitzen. In allen Umfragen
liegen sie weit jenseits der Fünf-Prozent-Hürde. Das ist ein nahezu
beispielloser Aufstieg einer Partei, die noch vor einem Jahr
Exotenstatus hatte. Dieses Phänomen mit der NSDAP zu vergleichen –
wie es ein Berliner Pirat nun tat -, ist freilich ebenso unhistorisch
wie falsch. Das ist kein Debattenbeitrag, sondern nur ein peinlicher
Ausrutscher – abhaken und vergessen.

Dabei ist eine ernsthafte Debatte über die Piraten dringend
notwendig. Dazu gehört eine Auseinandersetzung mit dem
Piraten-Programm. Und da reibt man sich doch verwundert die Augen:
kleine Klassen in der Grundschule, kostenfreie Nutzung von Bussen und
Bahnen – alleine das kostet mehr als zehn Milliarden Euro im Jahr.
Dazu kommt noch das bedingungsfreie Grundeinkommen (mehr als 60
Milliarden Euro) als bundespolitische Forderung – in den
Kernbereichen ist das Piratenprogramm ein unbezahlbares Potpourri aus
dem politischen Wünsch-Dir-Was.

Gleichwohl scheuen die anderen Parteien die harte
Auseinandersetzung. Sie fürchten, im Vergleich mit den frisch und
unverbraucht wirkenden politischen Freibeutern als langweilige
Rechthaber dazustehen.

Und diese Sorge ist nur allzu berechtigt. Denn den Wählern ist es
offenkundig recht egal, ob das Programm der Piraten fundiert ist und
ob die neue Partei Antworten auf alle oder doch wenigstens die
wichtigsten Probleme hat. Sie haben einfach die Nase voll von den
etablierten Parteien, die sich in den vergangenen Jahren oftmals nur
um sich selbst drehten, sich vom Bürger mit immer abstrakteren
Diskussionen um Rettungsschirme, Politikerrabatte und
Diätenerhöhungen immer weiter entfernten.

Die Piraten sind also eine Herausforderung für die Etablierten.
Sie sind aber auch eine große Chance. Denn in einem ernsthaften
Disput können die anderen Parteien nachweisen, dass Politik sehr viel
Mühe macht, weil sie die Kunst des realistischen Kompromisses ist.
Das ist nicht so spektakulär, das hat dafür aber sehr viel mit
Verantwortung zu tun. Und darum geht es schließlich.

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