Diskussionen werden normalerweise dann
langweilig, wenn alles gesagt wurde, aber nicht von jedem. Im Streit
um die Rentenreform der großen Koalition ist das ausdrücklich anders.
Sie hat gestern Fahrt aufgenommen, obwohl sattsam bekannte Argumente
aufs Tapet kamen. Wenn aber Arbeitgeberverbände und der Deutsche
Gewerkschaftsbund sich an ein und demselben Tag aufschwingen, dieser
Reform den Kampf anzusagen, dann ist das schon etwas Besonderes.
Dabei ist es noch nicht einmal störend, dass die einzelnen
Gruppierungen dem haargenau treu geblieben sind, was sie schon in den
vergangenen Monaten zu diesem seltsam unausgegorenen Werk von Schwarz
und Rot gesagt haben. Denn die Fehler im Programm, die Schwäche der
vorgezeichneten Wege schreien förmlich nach Widerstand. Mögen die
Ohren der Koalitionäre nicht taub sein. Bisher sind sie es. Sie sind
es, obwohl jeder weiß, dass die abschlagsfreie Rente mit 63 genau zu
der Fehlentwicklung führen wird, die vergangene Bundesregierungen
unter Heulen und Zähneknirschen beseitigt haben. Selbstverständlich
wird die Zahl der Frühverrentungen steigen. Ganz zu schweigen von den
Zusatzkosten, die dadurch entstehen, dass Rentner Leistungen
empfangen, für die sie zuvor nichts eingezahlt haben. Ob sich dieser
Betrag auf die von den Arbeitgebern berechneten 200 Milliarden Euro
summiert, sei dahingestellt. Aber teuer wird es auf jeden Fall. Das
gilt ebenso für die Mütterrente. Die allerdings belastet nur jene,
die in die Rentenkasse einzahlen. Und das kritisiert der
Gewerkschaftsbund völlig zu Recht. Im fast schon pathologischen Wahn,
die Steuerzahler nicht zusätzlich zu belasten, hat die Koalition
beschlossen, die Mütterrente aus den Beiträgen zu bezahlen. Dabei
wäre jeder Steuerzahler in diesem Fall der richtige Adressat. Und da
die Einnahmen des Finanzministeriums seit geraumer Zeit sprudeln wie
nie, müssten die Steuern wahrscheinlich noch nicht einmal erhöht
werden. Bestimmt wäre es auch mit einer besseren Ausgabenplanung
getan. Diese Rentenreform droht mehr Probleme zu schaffen, als sie
löst. Deshalb: Alles auf Anfang, bitte.
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