Westdeutsche Zeitung: Die Terrorangst wird zum Grundrauschen = von Olaf Steinacker

Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann? So heißt ein
Fangspiel, das zumindest die Älteren noch vom Kinderspielplatz
kennen. Mit Blick auf die jüngsten Terrorwarnungen des
Bundeskriminalamtes (BKA) und des Verfassungsschutzes könnte man den
Ruf aus dem Spiel umtexten und fragen: Wer hat Angst vorm bärtigen
Mann? Nur würde die Antwort nicht „niemand“ heißen, wie auf dem
Spielplatz, sondern „jeder“. Genau das sind die Folgen der Warnungen
aus Wiesbaden und Köln: 400 Männer und Frauen sollen Deutschland
verlassen haben, um als selbst ernannte Gotteskrieger in Syrien oder
im Irak mitzumischen, und von dort zu Anschlägen in Deutschland
aufzurufen. Besonders die kampferfahrenen Heimkehrer gelten als
tickende Zeitbomben. Wie groß die Gefahr tatsächlich ist, lässt sich
allerdings nicht genau sagen – und da liegt der Hase im Pfeffer.
Konkrete Hinweise auf einen bevorstehenden Anschlag gibt es nicht,
das BKA betrachtet die Gefährdungslage nach eigenem Bekunden als
„abstrakt hoch“. Belege dafür bleibt das Amt schuldig, genauso wie
der Verfassungsschutz oder NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), der
fast im Monatsrhythmus vor Salafisten warnt. Was passiert, wenn
tatsächliche Bedrohungen mit gefühlten Gefahren und undifferenzierten
Warnungen verschmelzen, ist in den USA zu beobachten: Nach dem 11.
September 2001 wurden dort geheime Anti-Terror-Gesetze erlassen,
persönliche Freiheiten beschnitten und Grundrechte ohne viel
Federlesens abgeschafft. Die Terrorangst wurde so zum
gesellschaftlichen Grundrauschen, in dem sich alle misstrauen,
Flugreisen in Verhören enden und unbescholtene Menschen als
Terroristen gelten. Die Affäre um die Massenüberwachung durch die NSA
ist da nur die Spitze des Eisbergs. Dass Deutschland keine Insel der
Glückseligen ist, zeigt der versuchte Anschlag 2012 im Bonner
Hauptbahnhof oder die im Jahr zuvor hochgenommene, mutmaßliche
Al-Kaida-Zelle aus Düsseldorf. Niemand muss Terrordrohungen von
Islamisten oder gar deren Stellvertreter-Kriege in deutschen Städten
dulden, dagegen darf und muss der Staat sich wehren. Aber nicht mit
permanenten Warnungen vor abstrakten Gefahren. Wer hat Angst . . .

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