Westdeutsche Zeitung: Elektronische Gesundheitskarte = von Peter Kurz

Das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf ist
richtig. Und doch sind die Bedenken gegen die elektronische
Gesundheitskarte nicht vom Tisch. Eine untere Gerichtsinstanz hat
nicht darüber zu entscheiden, ob ein politisch sensibles Projekt
gestoppt wird oder nicht. Allenfalls kann es den Fall zum
Bundesverfassungsgericht durchreichen, das unter Verweis auf
verletzte Grundrechte auch ein Großprojekt stoppen kann. Aber diese
Vorlage an Karlsruhe hätte vorausgesetzt, dass das Sozialgericht
davon überzeugt ist, dass der vor ihm stehende Kläger „hier und
jetzt“ belastet ist. Belastet durch das Nein seiner Krankenkasse zu
seinem Wunsch, auch in Zukunft ohne elektronische Gesundheitskarte
ärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen. So war es aber nicht.
Noch unterscheidet sich die neue Gesundheitskarte nur durch das
Passbild von der bisherigen. Alles andere ist Zukunftsmusik: die
eingespeicherte Notfallakte, die Krankengeschichte und weitere
Funktionen. All dies soll kommen, wenn auch auf freiwilliger Basis.
Aber noch ist es nicht so weit. Und darum konnte das Sozialgericht
gar nicht anders, als den Kläger zurückzuweisen. Dennoch macht er zu
Recht auf das Szenario des gläsernen Patienten aufmerksam. Wie wäre
es, wenn die Karte später zur Weitergabe der Krankenakten an
Klinikkonzerne und Versicherungen dient? Pharmaunternehmen könnten
den Patienten drängen, bei seinem Arzt auf ein teureres Präparat zu
bestehen. Versicherer oder Arbeitgeber haben sehr wohl Interesse an
Gesundheitsrisiken und könnten mit diesem Wissen Antragsteller oder
Bewerber zurückweisen. Die Daten werden sicher sein? Was von solchen
Beteuerungen zu halten ist, davon können Kunden von Schweizer Banken
ein Lied singen. Ob man das gut findet oder nicht – Fakt ist, dass
deren Daten in die Hände von Steuerbehörden fielen. Auch wenn der
Kläger wie ein einsamer Rufer scheint, der seiner Zeit voraus ist und
deshalb mit seiner Klage zu früh kommt: Sein Verdienst ist, dass er
wichtige Argumente in den Ring wirft. Und damit auch Einfluss auf die
gesetzliche Ausgestaltung der elektronischen Karte hat. Für die es,
das sei hier nicht unterschlagen, auch Pro-Argumente gibt. Etwa die
schnelle Analyse der Krankengeschichte im Notfall.

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