In der Politik ist wie auch sonst im Leben 
Hysterie selten die Gemütslage, in der durchdachte Pläne entstehen. 
Das weiß nun auch die Bundesregierung. Sie hat mit ihrem überhasteten
Umschwenken in der Energiepolitik einen Geist gerufen, den sie nicht 
mehr loswerden kann. Nun fordert die Opposition, dass den hehren 
Worten Taten folgen mögen, während die Atomlobby – nach Gesetzeslage 
zu Recht – mit Ungemach droht. Diesen Prozess vom Bundeskanzleramt 
aus zu moderieren, ist schwierig. Also hat Angela Merkel die 
Ministerpräsidenten der Länder zum Energiegipfel nach Berlin 
eingeladen. Dass der eine oder andere Landesfürst das 
Gesprächsangebot mit Wahlkampfrhetorik beantwortet, ist ein 
Fingerzeig darauf, dass Bürger und Industrie von solchen Gesprächen 
vorläufig nicht allzu viel erwarten sollten.
   Das ist insofern bedauerlich, als Deutschland an einem Wendepunkt 
angekommen ist. Ob Merkels Atom-Volte nun vor dem Eindruck der 
Katastrophe von Fukushima geschehen oder auch dem andauernden 
Wahlkampf geschuldet ist, spielt dabei schon gar keine Rolle mehr. 
Die öffentliche Diskussion um Atomenergie hat sich in eine Richtung 
bewegt, die kein „weiter so“ zulässt.
   Deshalb ist es auch nicht hilfreich, den Diskussionsprozess schon 
zu Beginn mit Horrorzahlen zu belasten, die den Eindruck erwecken, 
dass sich der Durchschnittsverdiener in Zukunft Strom nicht mehr wird
leisten können. Wirtschaftsminister Brüderle gibt die Kosten mit zwei
Milliarden Euro pro Jahr an, andere Schätzungen gehen von drei 
Milliarden Euro jährlich aus.
   Die Wahrheit könnte irgendwo dazwischen liegen. Und die Politik 
wäre gut beraten, den Menschen diese Wahrheit zügig mitzuteilen. Dazu
gehört dann auch die Information, dass teure Leitungen für viel mehr 
Windräder benötigt werden und dass regenerative Energie Atomkraft 
nicht ganz ersetzen kann.
   Mit anderen Worten: In Zukunft müssen Industrie wie 
Privathaushalte mit weniger Energie auskommen. Für die einen bedeutet
das Innovationsdruck, für die anderen bringt es den Verzicht auf 
Annehmlichkeiten mit sich. Und deutlich teurer wird Energie außerdem.
Aufgabe von Politik und Erzeugern wird sein, dass sie bezahlbar 
bleibt.
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