Westdeutsche Zeitung: Ermittlung gegen Wulff werden sich quälend lang hinziehen – Eine neue Eskalationsstufe ist erreicht Ein Kommentar von Martin Vogler

Niemand hätte es noch vor kurzem für möglich
gehalten, dass die Staatsanwaltschaft im Privathaus eines
Ex-Bundespräsidenten eine Durchsuchung durchführt. Selbst wenn diese
mit Zustimmung des Ehepaars Wulff geschah, ist eine neue
Eskalationsstufe erreicht.

Denn die Freiwilligkeit ist nichts, was für Christian Wulff
spricht, sondern für das Fingerspitzengefühl des Teams um den
mittlerweile sehr bekannt gewordenen Staatsanwalt Clemens
Eimterbäumer. Ohne Kooperation der Wulffs hätten sich die Ermittler
nämlich leicht einen Durchsuchungsbeschluss beim Amtsgericht Hannover
besorgen können – beziehungsweise sogar müssen. Denn dem ehemaligen
Bundespräsidenten wird Vorteilsnahme vorgeworfen. Dafür kann er bis
zu drei Jahre hinter Gitter kommen. Es handelt sich dabei zwar nicht
um ein schweres Verbrechen, für eine Hausdurchsuchung sind die
Vorwürfe jedoch schwerwiegend genug.

Die Ermittlungen gegen Wulff werden sich quälend lange hinziehen.
Allein die Auswertung der Daten auf den mitgenommenen Computern
dürfte dauern. Hinzu kommen die Materialien, die zuvor beim
Wulff-Freund und Filmproduzenten Groenewold sichergestellt wurden.
Und wenn man bedenkt, dass allein die niedersächsische Staatskanzlei
gestern den Ermittlern 450 bedruckte Seiten übergab, ahnt man den
zeitlichen Aufwand.

Die Staatsanwaltschaft muss auch deshalb akribisch vorgehen, um in
diesem brisanten Fall jeden Anschein von Schludrigkeit zu vermeiden.
Allerdings wird mit jedem Tag der Ermittlungen das Amt des
Bundespräsidenten und auch das persönliche Ansehen seines Ex-Inhabers
weiter Schaden nehmen. Das ist bedauerlich, aber nicht zu vermeiden.

Wobei bei Wulff in Sachen öffentlicher Meinung nicht mehr viel
kaputt zu machen ist. Bislang verlangten noch weite Teile der
Bevölkerung Sachlichkeit im Umgang mit den Vorwürfen gegen ihn. Das
hat sich geändert, seit festzustehen scheint, dass Wulff bis zu
seinem Lebensende den Steuerzahler wegen seines Ehrensolds,
Sekretariats, Büros und eines Dienstwagens mit Chauffeur jährlich
eine halbe Million Euro kosten wird. Diese Leistungen stünden ihm
sogar zu, falls er wegen Vorteilsnahme tatsächlich verurteilt würde.
Ein schwer erträglicher Gedanke.

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