Westdeutsche Zeitung: Für Lebensversicherungen hat ein neues Zeitalter begonnen – Eine deutsche Ikone wackelt Ein Kommentar von Martin Vogler

In Deutschland gibt es mit rund 93 Millionen
Verträgen mehr Lebensversicherungen als Einwohner. Das macht klar,
welch wirtschaftlichen und auch emotionalen Wert diese
Versicherungsart für die Menschen hat. Die Police gibt die
vermeintliche Gewähr, optimal für Notfälle abgesichert zu sein und
fürs Alter vorgesorgt zu haben. Doch zumindest bei aufgeklärten
Verbrauchern ist dieses Vertrauen längst nicht mehr grenzenlos. Bei
Vertragsende erhalten Viele weniger Geld, als sie erwartet hatten.
Und jetzt setzt der Marktführer Allianz ein deutliches Signal, indem
er erstmals Policen ohne Garantiezins auf den Markt bringt. Andere
Unternehmen werden dem Beispiel folgen.

Der Verzicht auf den Garantiezins stiftet erhebliche
Verunsicherung. Verbraucherverbände kritisieren diesen Schritt.
Durchaus mit Recht. Allerdings gilt es zu relativieren: Bei neu
geschlossenen Verträgen liegt der gültige Garantiezins sowieso –
anders als bei Altverträgen – nur noch bei 1,75 Prozent. Das ist
nicht viel, vor allem wenn man bedenkt, dass diese Garantie gar nicht
für das komplette eingezahlte Geld gilt, sondern nur für den
sogenannten Sparanteil, der laut Experten zwischen 60 und 75 Prozent
liegt. Der Rest der Einzahlung entfällt nämlich etwa auf den reinen
Todesfallschutz, Provisionen oder Verwaltung. Der echte Verlust durch
den Wegfall des Garantiezinses für die Verbraucher ist also relativ
gering.

Den Unternehmen bleibt angesichts des unglaublich niedrigen
allgemeinen Zinsniveaus, das nach der Zentralbanksitzung am
vergangenen Donnerstag auch zementiert scheint, kaum etwas anderes
übrig, als das zu tun, was gestern die Allianz vorgemacht hat. Da sie
selbst keine hohen Renditen erwirtschaften, können sie auch ihren
Kunden keine hohe Verzinsung bieten. Außerdem ist es sinnvoll, wenn
sie das Produkt verändern, um mit ihren Angeboten attraktiv für
Neuabschlüsse zu sein.

Die Kunden hingegen werden sich künftig kritischer als bisher
fragen, ob sie eine Kapitallebensversicherung – die das Sparen und
die Risikoabsicherung vermengt – überhaupt brauchen. Nach dem
gestrigen Tag werden sich viele eher für eine preiswerte reine
Risikoversicherung entscheiden und das Sparen anderweitig erledigen.
Etwa mit Sparplänen, Aktien oder Immobilien.

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