Westdeutsche Zeitung: Geänderte Position zur Energiewende und Koalition in Berlin – Die Geschmeidigkeit der Hannelore Kraft Ein Kommentar von Martin Vogler

Die Grünen in NRW dürften dieses Wochenende
schlecht geschlafen haben, und sie werden es auch künftig tun. Denn
SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat ihnen mit ihrer ziemlich
heftigen politischen Wende zwar nicht direkt den Krieg erklärt, aber
erschüttert die Grundfeste der rot-grünen Koalition in Düsseldorf.
Wenn sie jetzt eine zügige Energiewende nicht mehr so wichtig findet
und stattdessen Arbeitsplätzen und bezahlbarer Energie Priorität
einräumt, schlägt sie vor allem zwei Grüne vor den Kopf: ihrer
stellvertretenden Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann und
NRW-Umweltminister Johannes Remmel.

Wobei die politische Seite der Wandlung klar scheint. Hannelore
Kraft hat sich mit der für sie kniffligen Lage abgefunden, dass sie
mit den Grünen regiert, im Bund aber alles auf eine große Koalition
zuläuft. Nachdem sie zuerst versuchte, das Bündnis in Berlin zu
verhindern, hat sie die Aussichtslosigkeit dieses Plans eingesehen.
Taktisch klug setzt sie sich jetzt sogar an die Spitze der
Befürworter einer großen Koalition. Und dazu gehört, dass die von ihr
angeführte Arbeitsgruppe Energie diese Woche in entspannter
Atmosphäre auf die Union trifft. Innerparteilich irritiert sie damit
nur kurzfristig ihre Genossen. Langfristig zeigt Kraft mit ihrer
Geschmeidigkeit eher Führungsstärke. So etwas kennt die Politik ja
von Kanzlerin Angela Merkel zur Genüge.

Inhaltlich ist es sogar logisch, wenn die Ministerpräsidentin des
Industrielandes NRW zeigt, wie realistisch sie denken kann. Ihr muss
das Wohl von RWE oder der Stahlindustrie samt Mitarbeitern am Herzen
liegen. Nebenbei stärkt sie jetzt ihrem Wirtschaftsminister Garrelt
Duin den Rücken. Ihn hatte sie einst nach NRW geholt – und er schien
bislang mit seinen wenig ideologischen Positionen in der Regierung
etwas isoliert.

Kraft dürfte einsehen: Erneuerbare Energien sind toll, aber sie
müssen bezahlbar und sinnvoll sein. Noch mehr riesige Solarfelder und
Windräder wären ästhetisch vielleicht tolerierbar. Solange deren
Energie wegen mangelnder Speichermöglichkeiten nicht zuverlässig ist,
ist aber zu große Eile bei der Energiewende riskant. Wir werden wohl
noch etwas länger mit – noch hässlicheren – Kohlekraftwerken leben
müssen.

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@wz.de
www.wz.de

Weitere Informationen unter:
http://