Westdeutsche Zeitung: Gesellschaft muss Kampf gegen Rechtsextremismus aufnehmen = von Anja Clemens-Smicek

Von einer „Schande für unser Land“ sprach
Kanzlerin Angela Merkel Anfang des Jahres, als Deutschland in einer
Trauerfeier der Opfer der rechtsextremen Terrorzelle NSU gedachte.
Mit den gleichen Worten lassen sich auch die Ergebnisse der neuen
Studie zusammenfassen. Dass antidemokratische Positionen längst die
Mitte unserer Gesellschaft erreicht haben, wirft ein Schlaglicht auf
deren Zustand. In den ostdeutschen Ländern droht eine ganze
Generation im braunen Sumpf zu versinken – weil sie keine Perspektive
sieht und das Gefühl hat, unnütz zu sein. Können wir uns jetzt also
zurücklehnen und den Rechtsextremismus als reines „Ost-Problem“
behandeln? Wohl kaum. Überall in Deutschland gibt es
Jugendarbeitslosigkeit, überall gibt es zurückgelassene Regionen, die
einen Nährboden bilden für krudes Gedankengut. Die jüngste Warnung
von NRW-Innenminister Ralf Jäger vor Neonazis, die Waffen horten, und
vor rechten Terrorangriffen zeigt vielmehr, dass die Radikalisierung
dramatisch zunimmt. Auch wenn die Forderung wie ein wohlfeiles Mantra
klingt: Eine gute Schulbildung ist der erste Schutzfaktor für die
Demokratie. Wer eine berufliche Perspektive hat, ist weniger anfällig
für geistige Brandstifter. Jedoch wäre es zu kurz gedacht, allein den
Schulen diese Aufgabe aufzubürden. Die Gesellschaft muss den Kampf
gegen Rechts als kontinuierliche Aufgabe begreifen. Und sie muss
aufklären. Denn Rassismus ist immer auch eine Haltung, die durch
Angst vor dem Fremden zustande kommt. Leider hat der Staat bisher
nicht viel dazu beigetragen, eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Neue
Enthüllungen über rechtsradikale V-Leute, die vor Strafverfolgung
verschont wurden, oder Polizisten, die mit dem Ku-Klux-Klan
sympathisieren, verstärken eher den Eindruck, die Behörden seien auf
dem rechten Auge blind. Umso wichtiger ist es, dass die Mordserie des
Zwickauer Trios lückenlos aufgeklärt wird. Ebenso darf die Diskussion
um ein Verbot der NPD nicht gleich im Keim erstickt werden. Der
Umgang mit Schwächeren ist der Lackmustest für eine wehrhafte
Demokratie, die wir uns nach dem Zweiten Weltkrieg mühsam erkämpft
haben. Das dürfen Rechtsradikale nicht zerstören.

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
www.wz-newsline.de

Weitere Informationen unter:
http://