Westdeutsche Zeitung: Großelternzeit = von Martin Vogler

Großelternzeit – für viele ist das ein neues
Wort, bei dem sie sich fragen, ob diese familienpolitische Wohltat
wirklich sein muss. Letzteres hat gestern auch die FDP getan, als sie
darauf hinwies, dass der Vorstoß der Familienministerin mit ihr nicht
abgestimmt sei. Also schon wieder Zwist in der Koalition? Das klingt
zum Start der Debatte über den Plan nicht sehr verheißungsvoll. Bevor
man die Großelternzeit als überdrehte Idee abtut, sollte man
allerdings sehen, dass das Thema nur in der von Kristina Schröder
gewünschten Ausgestaltung neu ist. Denn Opa oder Oma haben schon seit
2009 das wenig bekannte Recht, zur Kinderbetreuung zu Hause zu
bleiben. Allerdings geht das nur in speziellen Fällen, vor allem wenn
die Eltern selbst noch sehr jung sind, beziehungsweise selbst eine
Ausbildung machen und sich deshalb nicht optimal um den Nachwuchs
kümmern können. Das ist sehr sinnvoll. Neu bei Schröder ist vor
allem, dass sie auf solche Auflagen verzichten will. Die Großeltern
können daheim bleiben, auch wenn sie gar nicht im selben Haushalt
wohnen, oder die Eltern selbst ihre vom Staat geförderte Auszeit
nehmen. Opa oder Oma hingegen sollen – und das ist richtig so – auch
künftig keine finanziellen Zuwendungen vom Staat bekommen. Das
Projekt wäre also nur eine Art unbezahlter Urlaub mit Rechtsanspruch.
Dennoch birgt das Vorhaben der Ministerin Tücken, zumal sie auch die
Regelungen für die Elternzeit selbst weiter flexibilisieren will. Von
familiären Zwisten abgesehen, wenn sich Großeltern dank ihrer neu
gewonnenen Freizeit möglicherweise zu stark in die Erziehung
einklinken, beträfe das vor allem Unternehmen. Schon heute freuen
diese sich zwar, wenn ihre Mitarbeiter Nachwuchs bekommen, doch für
befristete Auszeiten von ein paar Wochen bis zu mehreren Jahren
qualifizierte Vertretungen zu organisieren, ist oft sehr schwer. Dies
gilt vor allem, wenn die exakte Dauer der Elternzeit vorher nicht
feststeht. Ein Segen kann die Großelternzeit allerdings sein, wenn
Familien mit mehreren Generationen harmonisch zusammenleben, wie es –
zugegeben – eher früher der Fall war. Die Chance, dass die Großeltern
zu Hause bleiben und berufstätige Eltern trotz Kindern ohne
Gewissensbisse Karriere machen, ist da.

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