Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Zuneigung
seines Führungspersonals verloren. Zumindest Marineoffiziere werfen
ihm vor, den Kommandanten der Gorch Fock übereilt entlassen zu haben.
Die Militärs haben sehr genau registriert, dass Guttenberg innerhalb
weniger Stunden seine Position änderte, indem er statt das Ergebnis
einer gründlichen Untersuchung abzuwarten, den Chef des Schiffs
schasste. Ihr Vorwurf: Der Minister benutzt den Kapitän als
Bauernopfer, um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen. Das
bedeutet einen enormen Vertrauensverlust.
Die Führungskräfte der Marine werden es ihrem obersten Dienstherrn
außerdem sehr verübeln, dass er die Stilllegung der Gorch Fock als
Ausbildungsschiff betreibt. Auch hier reagiert Guttenberg primär auf
den Druck der Öffentlichkeit. Er folgt zum Beispiel der vor
Fernsehkameras geäußerten Forderung der Mutter der bei einem Unfall
ums Leben gekommenen Rekrutin. Deren Emotion ist nur zu verständlich,
aber ist sie deshalb auch eine gute Ratgeberin? Der Minister scheint
unter dem Eindruck zu handeln, die Führung auf dem Schiff sei
schikanös und menschenverachtend gewesen. Diese Informationen
entstammen spontanen Interviews und keiner sachlichen Untersuchung.
Sie können wahr sein, müssen es aber nicht. Gleiches gilt für den
Vorwurf sexueller Belästigung.
Dennoch kann die Stilllegung der Gorch Fock richtig sein. Denn die
Frage, wozu in einer Zeit, in der Kriegsführung hochtechnisiert ist,
ein zwar schönes, aber teures Segelschiff taugen soll, wird leider in
der hochgeputschten Atmosphäre nicht diskutiert. Die oft genannte
Netzwerkbildung unter künftigen militärischen Führungskräften, die
sich in der verschworenen Gemeinschaft solch eines Schiffes
entwickelt, ließe sich auch anders erreichen. So gesehen wäre die
Stilllegung durchaus sinnvoll.
Der Verteidigungsminister wäre gut beraten, wenn er nicht in
Aktionismus verfiele. Denn sicherlich läuft in seinem
Zuständigkeitsbereich nicht alles optimal, doch die derzeitige
Dramatisierung der Geschehnisse ist nicht angemessen. Der Verdacht:
Politische Gegner und auch sogenannte Parteifreunde wittern die
Chance, eine bislang stark agierende Persönlichkeit, die zudem hohe
Popularität genießt, zu demontieren.
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