Westdeutsche Zeitung: Hartz-IV-Sätze = von Martin Vogler

Das wird ein enttäuschendes Wochenende für 6,5
Millionen Empfänger von Hartz-IV-Leistungen. Auch wenn Politiker
behaupten, es sei noch nichts entschieden: Die Erhöhung der
Regelsätze wird nicht üppig. Und sie wird auf dem Papier
wahrscheinlich höher aussehen als das, was wirklich auf den Konten
ankommt. Denn wenn im Gegenzug zur Steigerung jene 19 Euro wegfallen,
die rechnerisch für Alkohol und Tabak geplant sind, dann bleibt
wirklich nicht mehr viel übrig. Für die Betroffenen ist das bitter.
Denn wer mit 359 Euro im Monat über die Runden kommen muss, freut
sich über jeden Extra-Euro. Dessen Alltag ist extrem schwierig, und
die Erfahrungen kratzen mit Sicherheit an der Menschenwürde. Auch
wenn es schwarze Schafe gibt: Die wenigsten haben es sich bequem in
einer Hartz-IV-Existenz eingerichtet. Die meisten würden lieber heute
als morgen wieder arbeiten und Geld verdienen. Andererseits ist die
Zurückhaltung der Politiker verständlich. In Zeiten leerer
Staatskassen würde ihnen sofort unverantwortliches Handeln
vorgeworfen, wenn sie die Hartz-IV-Sätze deutlich erhöhten. Zudem
muss man beim Klagen über niedrige Zahlungen sehen, dass die 359 Euro
ja nicht alles sind. Es gibt zusätzlich Leistungen fürs sogenannte
angemessene Wohnen und Heizen. Bei Härtefällen kann sogar Geld für
nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel oder Nachhilfeunterricht
fließen. Materiell mag es folglich für die Empfänger, wenn sie alle
Möglichkeiten konsequent ausschöpfen, halbwegs klappen. Schlimmer als
der Geldmangel ist sicherlich, dass sie all diese Leistungen
beantragen und begründen müssen. Das ist, um Missbrauch zu vermeiden,
sinnvoll – aber entwürdigend. Die Politiker, die über die
Hartz-IV-Sätze entscheiden müssen, sind nicht zu beneiden. Aus dem
Gefühl heraus würden sie bestimmt jeden Einzelnen gerne besser
stellen. Doch nicht nur wegen fehlender Mittel wäre das ein
schädlicher Schritt für das Gemeinwesen. Er würde den Abstand zu den
geringen Arbeitseinkommen verringern. Folgen: Entweder sänke die
Motivation, schlecht bezahlte Jobs anzunehmen. Oder die niedrigen
Löhne müssten deutlich steigen, was die Volkswirtschaft gefährlich
aus der Balance brächte.

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