Westdeutsche Zeitung: Jobwunder mit Schönheitsfehler Ein Kommentar von Peter Kurz

Die Zahl der Erwerbstätigen steigt sechs Jahre
in Folge zu immer neuen Höchstständen. Das beeindruckt in Zeiten
europäischer Krisennachrichten. Doch sagen die Zahlen allein noch
nichts darüber aus, wie gut es den in Lohn und Brot Befindlichen
dabei geht. Wenn mehr als ein Drittel aller Arbeitnehmer in
Leiharbeit, Teilzeitarbeit, in befristeten Stellen oder Minijobs
tätig ist, so verdienen diese Menschen zwar ihr Geld – aber wie?

So erhalten Leiharbeiter im Vergleich zu Beschäftigten im
Normalarbeitsverhältnis trotz vergleichbarer Tätigkeit meist
geringere Löhne. Die Zahl der Minijobs dürfte mit der auf 450 Euro
angehobenen Grenze weiter steigen. Schon wird gewarnt, dass
Unternehmen Vollzeitjobs in Minijobs aufspalten werden. Und: Nach
einer Arbeitsmarktstudie arbeiten für die bisher bei Minijobs
geltende Grenze von 400 Euro ein Drittel der Minijobber 19
Wochenstunden und mehr – wenig Geld für viel Arbeit.

Natürlich gibt es im Niedriglohnsektor Beschäftigte, für die wegen
ihrer schlechten Ausbildung ein Normalarbeitsverhältnis unerreichbar
wäre. Die also von der seit Jahren zunehmenden Flexibilisierung des
Arbeitsmarktes profitieren. Es werden diejenigen in den Arbeitsmarkt
integriert, die vorher keine Chance hatten oder für die – etwa wegen
Erziehung von Kindern – eine Vollzeitstelle nicht in Frage kommt. Die
aber auf diese Weise in Kontakt zur Arbeitswelt bleiben. Manch einer
schafft den Sprung von der Leiharbeit ins Normalarbeitsverhältnis.
Natürlich sind da auch diejenigen, die gar nichts anderes wollen als
den Teilzeit- oder Minijob, weil sie andere Einnahmequellen haben:
Verdienst des Partners, Mieten, Renten…

Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hat zwar dazu beigetragen,
dass die Erwerbstätigenquote steigt. Doch sollte darüber nicht
vergessen werden, dass dies vom Einzelnen mitunter teuer erkauft
wird. Nicht nur in näherer Zukunft, weil diese Randbereiche des
Arbeitsmarkts als Puffer gelten: Die hier Beschäftigten werden bei
schlechterer Konjunktur als erste ihren Job verlieren. Noch trüber
ist die langfristige Perspektive. Eine ausreichende Altersversorgung
lässt sich so nicht aufbauen. Das ist nicht nur ein individuelles
Problem, sondern auch eine gesamtgesellschaftliche Belastung.

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