Sie haben keine Erfahrung, stehen nicht für
konkrete politische Ziele, und es fehlt an bekannten Köpfen – der
Erfolg der Piraten dürfte Politikberater in die Krise stürzen. Und
doch ist er symptomatisch für ein neues Politikverständnis. Wer den
Aufstieg der Piraten begreifen will, muss sich fragen, welche
Bedürfnisse sie erfüllen – nicht welche Ziele sie verfolgen. Es gibt
in unserem Land eine nicht allzu kleine Gruppe von Menschen, die sich
durch die Volksparteien nicht mehr angesprochen fühlt. Die deren
Aushandeln von Positionen hinter verschlossenen Türen, ihr Taktieren
und die Unfähigkeit, Fehler einzugestehen, als unglaubwürdig
empfindet. Die Konsequenz war bislang eine sinkende Wahlbeteiligung
auf allen Ebenen. Mit der Piratenpartei bietet sich manchen nun
offenbar eine Alternative zum Nichtwählen. Der Erfolg in Berlin und
dem Saarland sowie der hohe Anteil an Erstwählern (in Berlin zehn
Prozent) und ehemaligen Nichtwählern (28 Prozent) zeigt, dass die
Partei das Potenzial hat, Menschen für Politik zu begeistern. Und
zwar nicht dadurch, was sie macht, sondern wie sie es macht. Indem
sie etwa einräumt, dass sie zu vielen Themen noch keine festen
Positionen hat. Oder indem sie Personaldebatten öffentlich austrägt.
Vor einigen Jahren wäre eine Partei dafür noch als Chaostruppe
verlacht worden. Heute wird es als Nachvollziehbarkeit von
politischen Entscheidungsprozessen gelobt. Darin zeigt sich, wie sehr
Politik von oben nach unten inzwischen abgelehnt wird. Hinzu kommt:
Die Piraten sind keine reine Partei der Politikverdrossenen. Dazu
haben sie anderen zu viele Stimmen weggenommen. In Berlin haben laut
Forschungsgruppe Wahlen jeweils 15 Prozent zuvor CDU und SPD gewählt,
elf beziehungsweise sechs Prozent wurden Grünen und FDP abgenommen.
Ob der Erfolg der Piraten von Dauer ist, hängt davon ab, wie sich die
Neulinge in den Ländern etablieren und auf Bundesebene formieren.
Auch ihr Parteiapparat wird größer, auch bei ihnen wird es eine
Führungsriege geben. Wenn sie dann keine überzeugenden Programme
bieten, werden sie für den Wähler uninteressant. Dann zeigt sich,
dass sich fundierte Politik letztlich doch durch Inhalte auszeichnet,
nicht nur durch ein gutes Gefühl.
Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de
www.wz-newsline.de
Weitere Informationen unter:
http://