Es ist nicht alles zum Besten bestellt in den
Beziehungen zwischen Deutschland und den USA. Trotzdem wird
Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits zum zweiten Mal innerhalb von
nur 18 Monaten von Washington umworben und hofiert. Ist dies als
Kompliment zu werten? Oder verbirgt sich hinter Präsident Obamas
großzügiger Einladung, Merkel mit der höchsten zivilen Auszeichnung
der Vereinigten Staaten zu ehren, ein kühl kalkulierter politischer
Schachzug? Etwa, um dem wichtigsten europäischen Verbündeten neue
Konzessionen abzuringen?
Die Bedeutung Deutschlands und die Notwendigkeit intakter
bilateraler Beziehungen ist für die USA unbestritten. So hat kein
anderes europäisches Land über viele Jahre die US-Streitkräfte in
Afghanistan so tatkräftig unterstützt wie Deutschland. Auch ist Obama
auf deutsche Hilfe im Kampf gegen Irans Nuklearprogramm angewiesen.
Hinzu kommt, dass trotz des unterschiedlichen Temperaments der
Präsident großen persönlichen Respekt für die Kanzlerin hegt und
etliche Gemeinsamkeiten sieht. Beide mussten erhebliche Hürden
nehmen, um an die Spitze zu gelangen und damit Geschichte zu
schreiben: Merkel als erste Kanzlerin, die zudem noch aus der
früheren DDR stammt. Obama als erster afro-amerikanischer
US-Präsident. Solche Biografien verbinden.
Doch es gibt auch vieles, was die Regierungen in Washington und
Berlin dieser Tage voneinander trennt, insbesondere die deutsche
Enthaltung im UN-Sicherheitsrat über die militärische Intervention in
Libyen. Auch wird Merkels Chefdiplomat Guido Westerwelle in
Washington als Leichtgewicht angesehen, während man den Rücktritt von
Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bedauert. In
Summe mögen sich Pro und Contra die Waage halten.
Die Argumente für jene fürstliche Behandlung, in der sich die
Kanzlerin sonnte, sind vorwiegend politischer Natur. Obama hofft, der
Kanzlerin verschiedene Zusagen zu entlocken: Er will ein größeres
deutsches Engagement in Libyen. Und er hofft, dass die
Bundesregierung ihren Druck auf den Iran verstärken kann, sein
Nuklearprogramm endlich offenzulegen. Spielt Merkel nicht mit, könnte
es sehr lange dauern, bis ihr in Washington wieder der rote Teppich
ausgerollt wird.
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