Westdeutsche Zeitung: Karlsruhe verhandeltüber Absprachen im Strafprozess = von Peter Kurz

Biete milde Strafe gegen Geständnis. Solche
Absprachen zwischen Richter, Verteidiger und Staatsanwalt gibt es
nicht erst seit der gesetzlichen Regelung vor drei Jahren. Doch eines
scheint gewiss: Diese Regelung, die heute vom
Bundesverfassungsgericht überprüft wird, hat das Vertrauen in eine
gerechte Justiz nicht gestärkt.

Sicherlich gibt es gute Gründe für solche Absprachen. Die
überlasteten Gerichte ersparen sich komplizierte und teure Prozesse,
können sich anderen Aktenbergen zuwenden. Monatelange Verfahren
stärken schließlich auch nicht gerade das Ansehen der Justiz. Da
wirkt eine Abkürzung wohltuend und kann durchaus im Interesse des
Opfers oder von Zeugen liegen. Denn ein Geständnis des Angeklagten
erspart ihnen belastende Situationen im Gerichtssaal.

Trotzdem gibt es gewichtige Argumente gegen den ausgehandelten
Strafrabatt. Denken wir an den Täter, der in Wahrheit eine strenge
Strafe verdient hat: Wie kann es sein, dass die Überlastung der
Gerichte als ungeschriebener Strafmilderungsgrund für ihn herhält?
Oder der umgekehrte Fall – der Fall des Angeklagten, dessen Schuld
gering ist. Der aber Angst hat, sich eine höhere Strafe einzuhandeln,
wenn er den Deal und die damit für den Richter verbundene
Arbeitsvereinfachung ablehnt. Er kann sich unter Druck gesetzt
fühlen, etwas zuzugeben, wofür er nicht oder jedenfalls nicht so
verantwortlich ist.

Absprachen im Strafprozess erschüttern den Glauben, dass es vor
Gericht mit rechten Dingen zugeht. Hochbezahlte Anwälte in
komplizierten Wirtschaftsprozessen können das Gericht mit der Drohung
unter Druck setzen, die Sache mit einer Unzahl von Beweisanträgen in
die Länge zu ziehen. Der Ladendieb kann das nicht. Dem Deal haftet
daher durchaus der Geruch eines „Zwei-Klassen-Strafrechts“ an.

Es liegt nahe, dass ein einmal ausgehandeltes Geständnis vom
Gericht kaum näher auf seine Glaubwürdigkeit überprüft wird. Der
Richter ist schließlich froh, die Akten schließen zu können. Da steht
die Binde um die Augen der Justitia am Ende nicht dafür, dass sie
ohne Ansehen der Person urteilt. Sondern dafür, dass sie wegsieht.
Und die Wahrheit, die da am Ende herauskommt, ist nicht eine, die
ermittelt worden ist. Sondern eine, die von den Beteiligten
vereinbart wurde.

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