Kinderarmut ist in Deutschland gleich in
doppelter Hinsicht ein Thema. Einerseits kommen schlicht alarmierend
wenige Kinder zwischen Flensburg und Passau, Aachen und Cottbus zur
Welt, was zu einer alten, aussterbenden Gesellschaft führt. Und
zweitens sind von den Kindern, die geboren wurden, viel zu viele arm.
Beides steht in einem direkten Zusammenhang.
In einer Gesellschaft, in der die Wohlstandsentwicklung längst
nicht mehr so homogen verläuft wie noch in den vergangenen
Jahrzehnten, müssen sich immer mehr junge Menschen gegen Kinder
entscheiden. Kinder kosten – Geld, Zeit und immer noch auch
Karrieren. Wenn gleichzeitig die Einkommensschere etwa durch
400-Euro-Jobs und befristete Arbeitsverhältnisse insgesamt stetig
weiter aufgeht, ist eben kein Geld für Kinder da.
Für beinahe jeden sechsten Deutschen unter 18 Jahren hat dies
heute schon spürbare Folgen. Er lebt mit seinen Eltern einschließlich
staatlicher Hilfen von weniger als 11 151 Euro im Jahr. Das ist die
statistische Armutsgrenze. Konkret heißt das für fast 2,1 Millionen
Kinder und Jugendliche in Deutschland: kein Geld für Klassenfahrten,
Handys, Vereine – von Markenmode und Kinoabenden mit den Freunden
ganz zu schweigen. Aber das Schlimmste ist vor allem für
Heranwachsende, dass die Altersgenossen diese Armut sehen können. Und
auf Schulhöfen geht es nicht immer zimperlich zu.
Wer nun einwendet, wirkliche Armut gebe es in Deutschland ja gar
nicht, weil zumindest jedes Kind ein Dach über dem Kopf und genügend
zu essen habe, der irrt. Armut in einem Industrieland ist mit Armut
in einem Entwicklungsland nicht zu vergleichen. Sie orientiert sich
am Wohlstand des Durchschnitts. Und wenigstens den müssen die Kinder
erreichen können.
Dies zu ermöglichen, muss ein Selbsterhaltungstrieb von Staat und
Gesellschaft sein. Fundierte Allgemeinbildung für alle Kinder in
vernünftig ausgestatteten Schulen ist ebenso elementar wie der
ausreichende Lohn für ordentlich geleistete Arbeit.
Kinderarmut in Deutschland ist kein Schicksal, dem zu entrinnen
unmöglich ist. Aber sie ist nur zu bekämpfen, wenn den
Lippenbekenntnissen der Politiker aller Couleur und der Entscheider
in der Wirtschaft sehr bald nachhaltig Taten folgen.
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