Erklärungen gibt es, zu entschuldigen ist es 
nicht. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) hat mit seiner 
Verbalattacke auf seinen Parteifreund Wolfgang Bosbach die Grenzen 
des Anstands überschritten. Einen Kollegen wegen der 
Meinungsverschiedenheit in einer außerordentlich wichtigen Frage 
unüberhörbar abzukanzeln, disqualifiziert Pofalla für seinen Posten.
   Dabei ist Pofallas Ausraster durchaus zu erklären. Er hat mit dem 
Zustand der Regierungskoalition zu tun und dadurch auch mit der 
Arbeit des Kanzleramtsministers selbst. Pofalla ist es in den 
vergangenen zwei Jahren gelinde gesagt nicht immer gelungen, die 
Arbeit der Ministerien im Sinne der Kanzlerin so zu koordinieren, 
dass die Koalition funktioniert. Das Ergebnis ist eine Regierung, die
zerstritten wirkt, der es an Konzeption mangelt und deren 
Koalitionäre sich zuweilen auf Kosten des Partners zu profilieren 
versuchen.
   In dieser Gemengelage kam es am vergangenen Donnerstag zu einer 
schon schicksalhaften Entscheidung im Bundestag. Angela Merkel 
brauchte für ihren Weg aus der europäischen Schuldenkrise nicht nur 
die Mehrheit der Abgeordneten, sondern, als Signal ans Wahlvolk und 
an die Opposition, auch die Mehrheit in den eigenen Reihen. Die 
schien in den vergangenen Wochen gefährdet zu sein, weil viele 
Mandatsträger der Koalition eine 211-Milliarden-Euro-Bürgschaft 
Deutschlands für Schuldenstaaten in der EU nicht mit ihrem Gewissen 
vereinbaren können. Zu ihnen gehört auch Wolfgang Bosbach. Das hat er
mit seinem Nein in der Probeabstimmung und dann im Bundestag nicht 
verheimlicht.
   Bosbach gebührt dafür Respekt und Anerkennung, weil er trotz der 
schwierigen Lage seiner Partei und der Regierung nur seiner 
Überzeugung folgte.
   Pofalla hingegen hat offenbar die Parteiräson zum Maßstab allen 
Handelns erkoren. Seine peinliche Entgleisung wirft kein gutes Licht 
auf das Innenleben der Politik und macht die Arbeit in der Koalition 
nicht leichter.
   Wolfgang Bosbach überlegt nun, ob er nach all dem nicht seinen 
Abschied aus der Bundespolitik nehmen soll. Dabei ist er gegenüber 
Pofalla  im Vorteil. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dem 
Kanzleramtsminister die Entscheidung über seine politische Zukunft 
abgenommen wird.
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