Wahlversprechen von Politikern haben
traditionell eine kurze Halbwertszeit. Denken wir nur an Norbert
Blüm, der 1988 mit seiner Aussage „Eins ist sicher: die Rente“ der
CDU zwar Stimmen einbrachte – heutzutage ist der Satz höchstens noch
als Kalauer zu gebrauchen. Oder an die SPD, die 2005 versprach, dass
es mit ihr keine Erhöhung der Mehrwertsteuer geben werde. Diese kam
dennoch für die Verbraucher, die SPD legte sogar noch einen
Prozentpunkt auf die von der Union angestrebten zwei Punkte drauf.
Auch das gestrige vehemente Dementi des CDU-Generalsekretärs
Hermann Gröhe zu Spekulationen, es werde mit der CDU Steuererhöhungen
geben, dürfte sich nahtlos in diese Aufzählung einreihen. Ungeachtet
der Tatsache, dass die Union damit ihr zentrales Wahlversprechen ad
absurdum führen würde. Nicht wenige Menschen gaben CDU/CSU ihre
Stimme, weil diese im Wahlkampf Mehrbelastungen kategorisch
ausgeschlossen hatten.
Das mag übliche Taktik beim Stimmenfang sein. Doch die Union
könnte ein solcher Wortbruch vor die Zerreißprobe stellen. Allzu
präsent ist die Erinnerung an den als „Umfaller“ und „Lügner“
titulierten Altkanzler Helmut Kohl, der weiland die „blühenden
Landschaften“ aus der Portokasse bezahlen wollte, dann aber den Soli
einführte. Schon gibt es warnende Stimmen, den Wahlerfolg vom Sonntag
nicht zu verscherbeln. Eine echte Alternative hat Angela Merkel
jedoch nicht, seit ihr die FDP als Partner abhandengekommen ist. Wenn
Merkel nun eine stabile Regierung anstrebt, wird sie SPD oder Grünen
einen höheren Spitzensteuersatz auf dem Silbertablett servieren
müssen. Eine teuer erkaufte Kanzlerschaft.
In den Koalitionsverhandlungen wird es für die Union sowieso
schwer, ihre weiteren Wahlversprechen ohne Abstriche durchzusetzen –
von der Abmilderung der kalten Progression bis hin zur Mütterrente.
Immerhin hängt über jedem Gespräch das Damoklesschwert der
Schuldenbremse. Dennoch sollte sich die Politik davor hüten, nach
Konrad Adenauer zu handeln, der einst sagte: „Was kümmert mich mein
Geschwätz von gestern?“ Irgendwann kommt nämlich die nächste Wahl.
Der Wähler vergisst nicht.
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