Wer zwar in der Regierung sitzt, aber laut
Umfragen zur Splitterpartei zu verkommen droht, hat sowieso schon ein
Riesenproblem. Der zumindest kommunikativ und damit in der
öffentlichen Wirkung missratene Mitgliederentscheid zum
Euro-Rettungsschirm macht für die FDP alles noch schlimmer. Vor allem
der Parteivorstand hat sich ein schlimmes Eigentor geleistet, als er
demonstrierte, dass er von innerparteilicher Demokratie nichts hält.
Das ist unprofessionell – und auch mit extremer Nervenanspannung
nicht zu entschuldigen. Man kann nicht mehrere Tage vor Ablauf der
Abstimmung verkünden, dass die erforderliche Beteiligung nicht
erreicht wird. Auch steht der unangenehme Verdacht im Raum, die
Wahlunterlagen bewusst reichlich chaotisch ausgegeben zu haben, um
den Mitgliedern das Mitmachen zu erschweren. Dann muss sich der
Sprecher der innerparteilichen Opposition als „David Cameron der FDP“
bezeichnen lassen. Logisch, dass so etwas nicht nur die
Euro-Skeptiker innerhalb der Partei mobilisiert, sondern das
Gerechtigkeitsempfinden vieler demokratisch und freiheitlich
Denkender verletzt. Jetzt kann das Problem noch wachsen, wenn
aufgrund der Vorfälle die Zahl der Abstimmenden rapide ansteigt – im
für die Parteispitze unangenehmsten Fall auf die erforderlichen 21
500. Dass gestern Stillschweigen über die Zahlen herrschte, könnte
ein Indiz dafür sein. Und dass die Mehrheit sich gegen den
Rettungsschirm – und damit gegen den Kurs der Bundesregierung –
entscheidet, ist wahrscheinlich. Die junge Führungsmannschaft der
FDP, der 38-jährige Philipp Rösler und der 32-jährige Christian
Lindner, werden in den nächsten Tagen zittern, wenn unter Aufsicht
eines Notars bis Freitag die Stimmen ausgezählt werden. Denn selbst
bei einem nicht erreichten Quorum können sie ein solches
Stimmungsbild nicht völlig ausblenden. Die Frage, ob der
FDP-Generationenwechsel zu rasch ablief, wird lauter werden. Wobei es
unfair wäre, den jungen Liberalen ihre Qualitäten abzusprechen. Aber
wahrscheinlich kam alles zu schnell für sie. Es könnte sogar die
große Stunde des an der Basis sehr beliebten Rainer Brüderle
anbrechen, den die Führung beim Dreikönigstreffen derzeit nicht
einmal reden lassen will.
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