Westdeutsche Zeitung: Pferdefleisch-Skandal = von Martin Vogler

Wie gerechtfertigt die Aufregung um den
Pferdefleisch-Skandal erscheint, ist extrem subjektiv. Denn niemand
wird davon krank, wenn er statt Rind Pferd isst. Freunde des original
Rheinischen Sauerbratens bezeugen das, wundern sich ähnlich wie viele
Franzosen sehr über die Diskussion. Womit sie eine gänzlich andere
Sichtweise als Briten und Iren einnehmen, bei denen Pferdefleisch
geächtet ist. Noch subjektiver wird das Bild, wenn Emotionen dazu
kommen. Den Gedanken, zum Beispiel Hunde zu verzehren, finden wir in
Europa abscheulich. Gute Freunde isst man nicht. Wer Pferde liebt,
überträgt diese Sicht auf diese Vierbeiner. Doch sind nicht auch
Kälber und Lämmer nette Tierchen? Wer das konsequent zu Ende denkt,
müsste Vegetarier werden – und vielen kulinarischen Freuden entsagen.
Die Entscheidung für oder gegen den Verzehr von Pferdefleisch ist
eine sehr persönliche. Allerdings sollte man diese auch selbst
treffen dürfen – und nicht falsch deklarierte Packungen mit Pferd
statt Rind untergeschoben bekommen. Insofern ist es richtig, wenn
deutsche Supermarktketten sensibel reagieren und bereits bei geringen
Zweifeln Ware aus ihrem Sortiment nehmen. Genauso richtig ist es,
wenn der Staat künftig für vielleicht noch etwas konsequentere
Kontrollen über die wahre Herkunft von Lebensmitteln sorgt. Denn der
Weg, den essbare Produkte angesichts des europaweiten und teilweise
globalen Handels nehmen, ist sehr unübersichtlich. Und wenn jemand
angeblich dadurch Profit machen will, dass er billiges Pferdefleisch
aus Rumänien statt teurerem Rind einsetzt, dann gehört ihm ein Riegel
vorgeschoben. Zumal solche Praktiken ja bei der Vertauschung von
Pferd und Rind nicht zu Ende gedacht sein müssen. Auch wir
Verbraucher können im eigenen Interesse dazu beitragen, dass den
Täuschern das Leben schwerer gemacht wird. Denn vor allem Deutsche
legen unglaublich viel Wert auf preiswerte Lebensmittel – und
schaffen damit bei Herstellern und Händlern Anreize, mit moralisch
verwerflichen Mitteln besonders billig zu produzieren. Wer hingegen
seltener Fertigprodukte in die Mikrowelle schiebt und stattdessen
öfter frische Ware selbst zubereitet, minimiert sein Risiko. Selbst
wenn das etwas teurer kommen sollte, lohnt es sich.

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