Westdeutsche Zeitung: Sorgerecht = von Peter Kurz

Die Zahlen – immer mehr nichtehelich geborene
Kinder – sind eindeutig. Ebenso die Schlussfolgerung, die das
Bundesjustizministerium daraus zieht: Ein modernes Sorgerecht muss
her. Doch bei dieser Modernisierung bleibt die Regierung auf halbem
Wege stehen. Gewiss ist es ein Fortschritt, wenn Eltern, die nicht
miteinander verheiratet sind, das gemeinsame Sorgerecht nicht mehr
nur dann erhalten, wenn sie sich darauf einigen. Gewiss ist es ein
Fortschritt, dass die Mutter den Wunsch des Vaters, zu seiner
Verantwortung zu stehen, nicht mehr einfach abblocken darf. Doch eben
diese Reformfortschritte hatten doch schon höchste Gerichte
eingefordert. Von den Politikern hätte man erwarten dürfen, dass sie
nun auch wirklich ernst machen mit dem gemeinsamen Sorgerecht. Doch
nach dem Gesetzesplan gibt es kein automatisches Sorgerecht auch des
Vaters, wenn sich die Mutter querstellt. Stattdessen muss er zum
Familiengericht gehen. Der Richter wird dabei als eine Art
Verwaltungsbehörde missbraucht und soll den Antrag ohne große Prüfung
durchwinken. Besser wäre der umgekehrte Weg: Ist die Vaterschaft
unbestritten, so gilt das gemeinsame Sorgerecht automatisch. Gefällt
das einem der Partner nicht, wird die Sache ernsthaft geprüft – unter
Hinzuziehung der Experten des Jugendamts. Und nicht in einem nur
summarischen Verfahren. Beim Sorgerecht geht es um das Kindeswohl.
Dieses Kindeswohl aber ist nicht davon abhängig, ob die Eltern
verheiratet sind (automatisches Sorgerecht) oder nicht. Eltern sind
Eltern, weil sie Kinder haben – nicht, weil sie verheiratet sind.
Statt einer halbherzigen Regelung sollte man sich zu einem echten
gemeinsamen Sorgerecht auch nicht verheirateter Eltern bekennen. Dass
es auch Fälle gibt, in denen sich ein Partner seiner Verantwortung
entzieht, kann nicht dafür herhalten, dass alle anderen ihr Recht
erst beantragen müssen. Auch für die Frau ist das geplante Verfahren
alles andere als glücklich: Sie, die nach der Geburt ohnehin großem
Stress ausgesetzt ist, soll sich innerhalb einer Sechs-Wochen-Frist
auch noch rechtlich wehren. Sie soll schriftlich vortragen, was gegen
ein gemeinsames Sorgerecht spricht. All das klingt doch sehr nach
Praxisferne.

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