Westdeutsche Zeitung: Sprachkurse in Kindertagesstätten = von Lothar Leuschen

Der Zeitpunkt für die Bekanntgabe ist geschickt
gewählt. Deutschland debattiert in diesen Wochen mehr oder weniger
verkrampft über das Thema Integration. Da macht sich ein
400-Millionen-Euro-Programm des Bundesfamilienministeriums ziemlich
gut. Zumal, wenn es von der jüngsten Ministerin im Kabinett verkündet
wird, die zuletzt wenig geschickt in die Ausländer- und
Zuwanderer-Debatte eingegriffen hat. Mit ihren Hinweisen darauf, dass
junge Ausländer sie als „deutsche Schlampe“ beschimpft hätten,
irritierte Kristina Schröder mehr, als dass sie genutzt hätte. Denn
sehr wahrscheinlich haben derlei pubertäre Unverschämtheiten mit der
schwierigen Integrationsfrage reichlich wenig zu tun. Dieses
Klagelied hätte Schröder mithin nicht zu singen brauchen. Umso besser
ist, dass die Ministerin sich nun wieder auf ihre Aufgabe
konzentriert. Als Sachwalterin von Familien- und
Jugendangelegenheiten im Kabinett von Angela Merkel will sie in den
nächsten vier Jahren Sorge dafür tragen, dass Unter-Dreijährige in
insgesamt 4000 deutschen Kindertagesstätten richtiges Deutsch
beigebracht bekommen. Das ist ein echter, ein guter und wichtiger
Beitrag zur Integrationsdebatte. Denn dass Sprache die Tür in eine
von Hause aus fremde Gesellschaft öffnet, ist längst kein Geheimnis
mehr. Deshalb sind die 400 Millionen Euro sehr gut investiertes Geld.
Aber bei näherer Betrachtung entpuppt sich der Plan aus dem Hause
Schröder als Flickschusterei: Denn er greift zu kurz. Wer bringt den
Eltern, vor allem den Müttern der Kleinkinder, Deutsch bei? Wer
zwingt sie notfalls dazu? Wer kümmert sich um die Ausländerkinder,
die heute in den Grundschulen sitzen und oft nicht viel mehr
verstehen als Bahnhof? Was geschieht mit den Hauptschulabgängern etwa
türkischer Herkunft, die es nach 14, 15, 16 Lebenjahren gerade einmal
zu einer Art Ghetto-Deutsch bringen – von schulischen Leistungen ganz
zu schweigen? Ein Sprachprogramm für Kleinkinder ist gut, sehr gut
sogar. Aber es reicht bei weitem nicht aus. Wer Integration verlangt,
muss alle integrationsfähig machen. Auch Jugendliche und Erwachsene.
Das kostet viel Geld. Aber Parallelgesellschaften mit Familien, die
Hartz-IV-Karrieren vererben, sind erheblich teurer.

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