Westdeutsche Zeitung: Vermeintliche Robin Hoods aus dem Netz Ein Kommentar von Horst Kuhnes

Sie nennen sich Anonymous, Teampoison, Lulzsec
oder bleiben gleich von vorneherein namenlos: Computer-Hacker, die
von ihren Rechnern aus über die unendlichen Weiten des Internets
scheinbar gottgleich und allmächtig in unsere alltägliche Welt zu
regieren versuchen. In eine Welt, die von Tag zu Tag abhängiger wird
von Computern und vom Internet – und die damit fast schon
zwangsläufig immer mehr Einfallstore all– jenen bietet, die die
elektronischen Mechanismen beherrschen. Man mag dies bedauern, aber
zu ändern ist es kaum mehr: Der Weg in die Informationsgesellschaft
und ins globale Dorf ist bereits fest programmiert.

Doch das ist letztlich nicht das Problem. Das entsteht durch das
Handeln der Hacker – und die dahinter stehenden Denkweisen. Die
Mitglieder von Anonymus etwa erklären stets, Menschenrechtsverletzer,
Zensoren und Diktatoren als Ziele anzuvisieren. Motto: Wir sind die
Guten, die anderen die Bösen. Der jüngste Angriff auf das
Sicherheitsunternehmen Stratfor, das als eine Art Privat-Geheimdienst
seine Kunden über weltpolitische Sicherheitslagen informiert, scheint
dies zu unterstreichen: Mit dabei „erbeuteten“ Kreditkarten-Daten hat
das Anonymous-„Kollektiv“ angeblich „Spenden“ in Höhe von einer
Million US-Dollar an karitative Organisationen überwiesen – wie Robin
Hood, der angeblich im Mittelalter in England lebte und die Reichen
bestahl, um den Armen zu helfen.

Zwar glauben die meisten Historiker, dass es Robin Hood nie
gegeben hat. Trotzdem hat die Sage im Laufe der Geschichte zahlreiche
Menschen inspiriert, möglicherweise auch die Hacker von Anomymous und
Teampoison. Beide Gruppen starteten kürzlich die „Operation Robin
Hood“. Ziel: Durch Hacker-Angriffe Geld von oben nach unten
umzuverteilen. Doch ob und wie die Verteilung erfolgt, ist offen.

Da stimmt das Motto, mit dem die meisten Hacker-Botschaften
unterzeichnet sind, sehr nachdenklich: „Wir sind Anonymous. Wir sind
viele. Wir vergeben nicht. Wir vergessen nicht. Erwartet uns!“ Es ist
allerdings schwierig – und problematisch – jemandem zu vertrauen, der
völlig „anonym“ ist und nur als „großer Bruder“ in Erscheinung
tritt. Vor allem dann, wenn man George Orwells Buch „1984“ gelesen
hat.

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