Westdeutsche Zeitung: Weichen für ein stabiles Afghanistan wurden nicht gestellt = von Anja Clemens-Smicek

Nach all den Jahren von Krieg, von Terror, von
Not und Demütigung erhalten die Menschen in Afghanistan eine konkrete
Friedensperspektive und eine wirtschaftliche Zukunftsperspektive.“
Hehre Worte eines Konferenzteilnehmers gestern in Bonn? Mitnichten.
Gerhard Schröder sprach diesen Satz am 5. Dezember 2001 zum Abschluss
der ersten Afghanistan-Konferenz. Dennoch könnte das Zitat des
damaligen Kanzlers genauso gut in der aktuellen Abschlusserklärung
stehen. Zehn Jahre später. Unterm Strich damit zehn verlorene Jahre,
denn die weiland auf dem Papier beschlossene Gründung eines
demokratischen Rechtsstaates (welch eine Überheblichkeit der
westlichen Welt) ist an der Realität gescheitert. Das Engagement in
Afghanistan hat sich für die Nato zu einem Desaster entwickelt.
Sicher, mit Blick auf die schulische Bildung, die Infrastruktur gibt
es Erfolge zu vermelden. Doch es lässt sich nicht wegdiskutieren:
Nach wie vor herrschen in dem Land am Hindukusch Krieg, Armut,
Korruption und Drogenhandel. Zudem hat sich der Glaube, dass die
Taliban mit einer militärischen Intervention vertrieben werden
können, endgültig als Trugschluss erwiesen. Und eine politische
Lösung? Appelle von Präsident Hamid Karsai, an Friedensgesprächen
teilzunehmen, gehen ebenso ins Leere wie der Versuch der Nato, die
Aufständischen an den Verhandlungstisch zu bomben. Stattdessen
gelingt es den Taliban immer wieder, die Isaf-Soldaten mit
spektakulären Anschlägen zu demoralisieren. Damals wie heute fehlt
eine überzeugende Strategie. Es ist naiv zu glauben, die Afghanen
könnten nach dem Abzug der internationalen Truppen 2014 selbst für
ihre Sicherheit sorgen. Ohne die Nachbarstaaten ist an Frieden und
Aussöhnung nicht zu denken. Leider auch nicht ohne gemäßigte Taliban.
Für die Zukunft des Landes spielt Pakistan eine Schlüsselrolle,
dessen Geheimdienst und Militär die Taliban für ihre eigenen Zwecke
instrumentalisieren. Da die pakistanische Regierung in Bonn erst gar
nicht mit am Tisch saß, sind auch nach dieser Konferenz die
Beschlüsse das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehen.
Wieder also nur hehre Worte. Es regiert das Prinzip Hoffnung. Zu
wenig für die Menschen in Afghanistan.

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