Westdeutsche Zeitung: Westdeutsche Zeitung, Düsseldorf, zu Middelhoff

Im November 1998 ist Thomas Middelhoff ganz
oben. Der gebürtige Düsseldorfer hat es bis auf dem Chefposten beim
Medienkonzern Bertelsmann gebracht. Middelhoff gilt als
durchsetzungsstark, kreativ, bisweilen sogar genial. Er fädelt die
ganz großen Geschäfte ein: die 2,5 Milliarden Dollar schwere
Übernahme des US-Buchverlages Random House und die Partnerschaft mit
dem amerikanischen Internetkonzern AOL. Bertelsmann verdient so gut
wie nie zuvor – und Middelhoff, stets makellos gekleidet und braun
gebrannt, ist der Macher des Erfolgs. Und er will noch höher hinaus:
Bertelsmann soll an die Börse. Das passt aber der Eignerfamilie Mohn
nicht, die fürchtet, ihren Einfluss zu verlieren. Im Sommer 2002 wird
Middelhoff vor die Tür gesetzt. Seinem Image schadet das nicht. Als
ein Top-Sanierer für Karstadt-Quelle gesucht wird, steht Middelhoff
bereit. 2004 steigt er ein und verkündet 2007 die Rettung des
Unternehmens, das inzwischen Arcandor heißt. Doch der Konzern gerät
erneut in Schieflage, im Frühjahr 2009 muss Middelhoff gehen, kurz
danach meldet Arcandor Insolvenz an. Es ist die größte Firmenpleite
der Nachkriegszeit. Wegen Untreue und Steuerhinterziehung hat das
Gericht Middelhoff zu drei Jahren Haft verurteilt. Das scheint
überraschend hart, ist der Sache aber durchaus angemessen. Während
die Verkäuferinnen bei Karstadt auf Teile ihres Gehaltes verzichten
mussten, gönnte sich der Herr an der Spitze jede Menge Extravaganzen.
Kurze Dienstreisen nach New York für 95 000 Euro – kein Problem. Und
auf dem Weg zur Arcandor-Zentrale in Essen durfte es gerne mal ein
Hubschrauber sein, um nicht mit anderen im Stau auf der Autobahn
stehen zu müssen. Die Firma zahlt es ja. Middelhoffs Verteidiger
werden in Revision gehen. Ihr Mandant fühlt sich schließlich im
Recht. Von Reue keine Spur. Ganz offensichtlich hat der Manager in
den Jahren der Machtfülle jede Bodenhaftung verloren. Deshalb werden
wir in nächster Zeit einen arroganten, uneinsichtigen Thomas M. vor
Gericht erleben, der in Sachen Arcandor in mehreren Verfahren als
Kläger, Beklagter und Zeuge auftreten muss. Da ist jemand ganz unten
angekommen, ohne es zu merken.

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