Westdeutsche Zeitung: Westerwelles Schicksalswochen = Von Wibke Busch

Die Schicksalsrede hat FDP-Chef Guido
Westerwelle Luft verschafft. Ein Befreiungsschlag war sie nicht. Über
seine politische Zukunft werden nun die Ergebnisse der Liberalen bei
den Landtagswahlen im Frühjahr entscheiden – insbesondere Ende März
im liberalen Stammland Baden-Württemberg. Die Schicksalswochen, sie
stehen dem 49-Jährigen noch bevor. Der FDP-Chef thematisierte in
seiner Rede erst gar nicht die Krise der Partei. Als sei nichts
gewesen, rief er zu mehr Selbstbewusstsein und zu Geschlossenheit
auf. Indirekt aber machte Westerwelle sehr deutlich, dass er das Feld
nicht kampflos räumen wird. Luft verschafft hat Westerwelle dabei
auch die eigene Partei. Bereits vor dem traditionellen Jahresauftakt
in Stuttgart war die innerparteiliche Kritik an ihm verstummt, die
Spitzenpolitiker der Liberalen versammelten sich demonstrativ hinter
dem Vorsitzenden. Weil die potenziellen Nachfolger sich nicht selbst
an möglichen Wahlniederlagen die Finger verbrennen wollen. Und weil
die Partei ganz offensichtlich erkannt hat, dass es sich nicht gut
macht, den eigenen Vorsitzenden schlecht zu reden. Die Zerreißprobe
der vergangenen Wochen hat der Partei nur noch mehr geschadet. Sie
sackte in den Umfragen erst recht ab. Westerwelle muss nun alles auf
eine Karte setzen: Er wird die Partei in die anstehenden Wahlkämpfe
führen – dass er das kann, hat er mehrfach unter Beweis gestellt.
Gehen die Liberalen in Bausch und Bogen unter, wird ihm die Schuld
daran zugewiesen. Das haben seine Kritiker im Vorfeld sehr deutlich
gemacht. Überstehen die Liberalen insbesondere die Entscheidung im
Ländle, dürfte der Vorsitzende den Parteitag im Mai überstehen. Aber
selbst dann wird Westerwelle die Kronprinzen-Debatte nicht mehr
loswerden. Zu harsch war die Kritik an ihm und am Zustand der Partei,
zu wenig zukunftsweisend und programmatisch war seine Rede in
Stuttgart, zu sehr drängt sich insbesondere mit dem jungen
Nordrhein-Westfalen Christian Lindner ein Nachfolger geradezu auf.
Westerwelles Schicksalswochen werden auch darüber entscheiden, ob er
vorzeitig den Hut nehmen muss – oder ob er den Übergang an der
Parteispitze selbst moderieren kann.

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de