Gratisurlaube bei Freunden, eine höchst
undurchsichtige Eigenheimfinanzierung und nun auch noch versuchte
Einflussnahme auf die grundgesetzlich garantierte freie
Berichterstattung – Bundespräsident Christian Wulff steht mit dem
Rücken zur Wand. Binnen weniger Wochen ist aus einem eher blassen und
etwas biederen, aber nicht unsympathischen Präsidenten ein
Getriebener geworden, der sich täglich neuen Vorwürfen ausgesetzt
sieht. Schon längst geht es nicht mehr nur um die Person Christian
Wulff, sondern um das Amt.
Das politische Schicksal Wulffs wird sich in diesen Tagen
entscheiden. Er selbst hat es nur noch begrenzt in eigenen Händen,
muss jeden Tag neue Schlagzeilen fürchten. Entscheidend für ihn ist
die Unterstützung aus dem Kanzleramt. Doch da ist das Schweigen ganz
besonders dröhnend. Vor Weihnachten noch hatte die Kanzlerin ihrem
Mann im Schloss Bellevue den Rücken gestärkt. Damals schien die
Affäre auf die Hausfinanzierung durch das befreundete Unternehmerpaar
begrenzt. Mittlerweile ergibt sich ein ganz anderes Bild vom
persönlichen Verhalten eines Politikers, der sich in seiner Rolle als
Staatsoberhaupt nicht scheut, Journalisten zu bedrängen und indirekt
auch zu bedrohen. Und der so gerne zu den Schönen und Reichen gehören
will, auch wenn das der eigene Geldbeutel nicht hergibt. Der Rückhalt
im eigenen Lager für Christian Wulff schwindet.
Die Kanzlerin wird nüchtern abwägen. Natürlich wäre der Rücktritt
Wulffs ein herber Rückschritt, nachdem Horst Köhler erst vor 20
Monaten aus dem Amt floh.
Auf der anderen Seite geht Deutschland erneut in ein schweres
Jahr. Die Euro-Krise ist bei weitem nicht ausgestanden, keiner kann
so richtig einschätzen, wie es mit der Wirtschaft weitergeht. Bürger
zittern um ihren Arbeitsplatz und ihr Haus. Die Rolle einer
erfahrenen und pragmatischen Krisenmanagerin ist mit Merkel bestens
besetzt, für den Part der moralischen Instanz, der über das
Tagesgeschäft hinaus durch die Vermittlung bürgerlicher Werte Halt
gibt, kommt Wulff nach den Affären nicht mehr infrage.
Wulff will seine persönliche Krise womöglich aussitzen. Doch die
Kanzlerin wird entscheiden – nüchtern und pragmatisch.
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