Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Anton Schlecker

Zwei Jahre auf Bewährungfür Anton Schlecker.
»Nur« zwei Jahre und »nur« auf Bewährung, möchte man ergänzen. Denn
der ehemalige König unter den deutschen Drogeristen zerstörte nicht
nur das eigene Lebenswerk. Er schädigte Kreditgeber und Lieferanten
schwer. Und vor allem: Seine Fehler machten am Ende 25 000
Beschäftigte arbeitslos. Darunter waren einige, die ihr Leben lang
für ihn gearbeitet und nun ein Alter erreicht hatten, in dem sie
nicht mehr vermittelbar waren. Zu Hochzeiten hatte Schlecker sogar
mal 55 000 Mitarbeiter gezählt.

Nun sind, da haben die Richter recht, Managementfehler nicht
justiziabel. Auch gibt es keinen Paragrafen, der Uneinsichtigkeit und
stures Festhalten an dem Kurs, der Jahrzehnte lang gut gegangen ist,
unter Strafe stellt. Allerdings sind auch nach dieser
Gerichtsentscheidung noch Zweifel erlaubt, ob Anton Schlecker
tatsächlich so blind gegenüber der Wirklichkeit gewesen ist, wie
seine Vereidigung vor Gericht behauptet hat. Aus der Tatsache, dass
er kurz vorm Ende Millionen für sich und die Familie beiseite
schaffte, könnte man auch das Gegenteil ableiten.

Dem Erfolgreichen verzeiht man viele Fehler. Beim Verlierer sucht
man und wird fündig. Anton Schlecker zählt zwar zu den großen
Unternehmern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er war aber nie
Sympathieträger. Das Modell des Discounters – einfach, aber billig –
hatten andere schon vorher empfunden. Und wo sich die Konkurrenten
Götz Werner von dm und Dirk Roßmann öffentlich für ihre Mitarbeiter
stark machten, lebte Schlecker völlig abgeschottet und entzog sich
selbst im lokalen Umfeld jeder gesellschaftlichen Verpflichtung. Wenn
er eine Filiale aufsuchte, dann inkognito, um Fehler von
Beschäftigten zu entlarven. Nicht schön, nicht Erfolg versprechend
und schon gar nicht nachhaltig – aber eben auch nicht strafbar. Es
bleibt, dass der ehemalige Metzgermeister und nun ehemalige
Milliardär für das, wofür er verantwortlich gemacht werden kann,
relativ milde bestraft wurde – milder als Sohn und Tochter. Froh wird
er darüber nicht sein. Er muss damit leben, dass ihm seine
Uneinsichtigkeit richterlich bestätigt wurde. Insolvenzverwalter und
Gläubiger werden ihm in zivilrechtlichen Verfahren weiter unangenehme
Fragen stellen. Für ihn, der sich für unfehlbar hielt, ist das eine
große Pein.

Noch tragischer trifft es den Vater Anton Schlecker. Seine Kinder
müssen ins Gefängnis. Das Urteil geht davon aus, dass sie, als sie
Millionen für private Zwecke entnahmen, anders als der Vater wussten,
wie es ums Unternehmen steht. Jeder Besuch in der Haft wird Schlecker
vor Augen führen, dass er nicht nur selbst tief stürzte, sondern
dabei Sohn und Tochter mitriss. Hoffentlich rührt ihn, der sich
niemals bei den sogenannten Schlecker-Frauen wirklich entschuldigte,
wenigstens das Schicksal der eigenen Familie.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell