Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Cyber-Attacken aus China

Die jüngsten Erkenntnisse über die mutmaßlichen
Urheber Dutzender Cyber-Attacken auf sensible Ziele in den USA
sollten alle Alarmglocke läuten lassen. Nicht nur auf der anderen
Seite des großen Teichs, sondern auch hier in Europa. Angriffe auf
lebenswichtige Infrastruktur, auf Staatsgeheimnisse und
intellektuelles Eigentum von Unternehmen bedrohen unsere Sicherheit
und unseren Wohlstand viel unmittelbarer als Bomben und Raketen. Die
Schwelle für die Aggressoren scheint dabei immer weiter zu sinken.
Umgekehrt erweist es sich als sehr viel komplizierter, die Hacker
dingfest zu machen. Erst recht, wenn es sich um staatlich
unterstützte Cyber-Krieger handelt. Erstmals liegt nun in der
Öffentlichkeit eine Studie vor, die eine Einheit der chinesischen
Volksarmee konkret beschuldigt, für mehrere hochkarätige Angriffe
verantwortlich zu sein. Egal, wie vehement Peking die Verantwortung
dafür zurückweist: Die digitale Beweislast wiegt schwer. Und
bestätigt offenbar Erkenntnisse der amerikanischen Geheimdienste, die
Anfang des Jahres eine geheime Lageeinschätzung vorlegten. Dieses
»National Intelligence Estimate« beunruhigte US-Präsident Barack
Obama genug, um das brisante Thema in seiner Rede zur Lage der Nation
anzusprechen. Im Unterschied zu den privaten Sicherheitsexperten
zeigte Obama öffentlich nicht mit dem Finger auf die Volksrepublik.
Solche Vorwürfe müssen wohlbedacht sein. Träfen sie das auf
Gesichtswahrung bedachte Peking doch an einem empfindlichen Punkt.
Angesichts der massiven Ausmaße der Cyber-Angriffe ist Untätigkeit
aber auch keine Option. Wer heute die Hände in den Schoß legt,
braucht sich morgen nicht zu wundern, wenn er regelmäßig zur
Zielscheibe solcher Attacken wird. Der erste Schritt muss eine
Verstärkung der eigenen Abwehr-Kapazitäten sein. Vorrang sollten
dabei öffentliche Einrichtungen wie Energienetze, die
Wasserversorgung und die Verkehrsinfrastruktur haben. Darüber hinaus
bedarf es einer Strategie, die den Preis für Aggressoren aus dem
Cyberspace erhöht. Je nachdem, was die Hacker anstellen, handelt es
sich um einen kriegerischen Akt. Das verlangt nach einem Konzept, das
mit angemessener Vergeltung droht. Was im Umgang mit Regimen wie Iran
lösbar scheint, stellt die Strategen im Fall der Volksrepublik China
vor ein erhebliches Problem. Die größte und zweitgrößte
Wirtschaftsmacht der Welt können es sich nicht leisten, den Konflikt
öffentlich eskalieren zu lassen. Dafür stehen zu viele gegenseitige
Interessen auf dem Spiel. Das Bekanntwerden der privaten Studie über
die Cyberangriffe in den USA ist so gesehen unangenehm für beide
Seiten. Nur: Schweigen ist keine Alternative. Die Chinesen müssen
wissen, dass Cyberattacken aus Shanghai nicht länger toleriert
werden.

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