Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Beschlüssen des Koalitionsgipfels

»Schlecker-Frauen« und »Ehrensold« sind als
Unwörter des Jahres 2012 vorgeschlagen. »Schwarz-Gelbe Koalition«
wäre ein weiterer Kandidat gewesen. Daran ändert nicht, was die
Regierung in ihrer Nachtsitzung zutage gefördert hat. Die gute
Nachricht lautet: Der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und FDP soll
wieder regelmäßig tagen. Offenbar haben unsere Regierungsvertreter
Gefallen daran gefunden, miteinander zu sprechen. Zwei Dinge
erscheinen unrichtig an der neuen Friedens-Verlautbarung. Erstens:
Warum sollte der Ausschuss reden, wenn die Koalition – natürlich nur
rein kalendarisch – ohnehin fast am Ende ist? Und zweitens: Wie
wollen CDU, CSU und FDP kommunizieren, wenn sie sich eigentlich
spinnefeind sind? CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und seine
Kollegen Patrick Döring (FDP) und Hermann Gröhe (CDU) haben ein
jämmerliches Bild abgegeben, als sie nachts das Ergebnis des Gipfels
mit einem gequälten Lächeln verkündeten. Wirklich Bahnbrechendes ist
nicht dabei herausgekommen. Die Einigung hätte man problemlos eher
hinbekommen können. Vielleicht haben die Parteichefs auch deshalb
ihre Mitarbeiter vor die Kameras geschickt, weil sie selbst am besten
wissen, dass es beim Gipfel nur um ein bisschen Frieden statt um
große Reformen ging. Und wenn das Betreuungsgeld d a s große
Wahlkampfthema werden soll, wie es die SPD angekündigt hat, dann
haben wir wohl keine anderen Probleme mehr in Deutschland. Jeder hat
sein Bonbon bekommen. Die CSU ihr Betreuungsgeld (das passend vor der
Bayern-Wahl eingeführt wird) und die FDP die Abschaffung der
Praxisgebühr (die kurz vor der Niedersachsen-Wahl wegfällt). Das
dritte Thema, die Rente für Geringverdiener, ist nach dem Theater um
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ohnehin keines, mit dem die
Partei punkten kann. So sind die Ergebnisse bescheiden. Für die
Regierungskoalition ist es ein Erfolg, sich überhaupt geeinigt zu
haben. Die Botschaft lautet: Seht her, wir streiten nicht mehr.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Meisterleistung! Wir dürfen weiter
auf die große Reform des Gesundheitswesens warten und weiter hoffen,
dass die Politik die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernsthaft zu
einem Thema macht. Statt großer Strukturveränderungen erhalten wir
nur Reförmchen. Zu mehr ist Schwarz-Gelb nicht in der Lage. Der
Koalitionsgipfel sollte Handlungsfähigkeit demonstrieren. Vielleicht
hat er das Gegenteil bewirkt. Nach Monaten des Streits, des
Misstrauens, der gegenseitigen Blockade und Beschimpfungen ist das,
was der Gipfel hervorbrachte, ein Spiegelbild dieser Regierung. Und
wenn das Betreuungsgeld es wie zuletzt nicht einmal auf die
Tagesordnung des Parlaments schafft, weil die eigenen Reihen nicht
geschlossen sind, ist das Chaos perfekt.

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