Wahlen in Finnland interessieren den Rest der
Welt sonst nur am Rande. Doch diesmal haben es die 15 Millionen
Einwohner von Suomi auch ohne Eishockey und Nokia geschafft, im
übrigen Europa in die Schlagzeilen zu kommen. Der mit 19 Prozent
Stimmanteil relative Wahlsieger »Die wahren Finnen« könnte eine
Sprengkraft entfalten, die den Euro und sogar die Europäische Union
auseinandertreiben kann. Dieser Einfluss gründet nicht auf die
wirtschaftliche Macht oder gar Beitragsleistung Finnlands. Gefährlich
sind die wahren Finnen, weil sich ihr Boot in einen Geleitzug
ähnlicher Bewegungen in anderen Mitgliedsstaaten einreiht. Starke
antieuropäische, antiliberale und zuwanderungskritische Parteien
stellen in Italien und Ungarn die Regierung. In den Niederlanden
bestimmen sie die Politik mit, sind stark in Österreich, Polen,
Tschechien, Dänemark und Schweden. Und was den Front National in
Frankreich betrifft, so lässt die 2012 anstehende Präsidentenwahl zum
jetzigen Zeitpunkt Schlimmes befürchten. Bei so vielen Euroskeptikern
geraten die wahren Europäer in die Defensive. Es ist populär, auf den
eigenen Profit zu schauen. Dabei ist es mit dem Euro in gewisser
Hinsicht so wie mit einer Sozialversicherung: Wenn alle nur danach
trachten, dass sie am Ende mehr Geld aus der Gemeinschaftskasse
entnehmen als sie hineingeben, kann das System nicht lange
funktionieren. Insofern spielen die Griechen, Iren und Portugiesen
den Euro- und Europa-Gegnern in die Hände. Nur stehen die Griechen
mit dem Rücken zur Wand. Auch wenn es gute und unwiderlegbare Gründe
für die Zumutungen aus Brüssel gibt, so bleibt doch, dass die
Einzelnen in einem Maße Verzicht leisten müssen wie es andernorts
kaum hingenommen würde. Will Europa im Konzert der künftigen
Großmächte China, USA, Russland, Indien und Brasilien mitspielen,
dann nur auf einer starken ökonomischen Basis. Diese gibt es nicht
ohne den Euro. Jede andere nationale europäische Währung wäre ein
Spielball für Spekulanten. Noch hält die Angst vor einem
Domino-Effekt die Euro-Staaten zusammen. Doch so stabil ist kein
Schirm, dass er bei den ständigen Anfeindungen nicht irgendwann
einknickte. Dann kommt es womöglich doch zu einem Europa der zwei
Geschwindigkeiten oder mindestens zur Teilung der Währungsunion in
einen Euro-Nord und einen Euro-Süd – mit all den Nachteilen für die
deutsche Industrie, die jetzt immer verschwiegen werden. Finnland
schneidet bei »Pisa« stets besonders gut ab. Nach dem jetzigen
Wahlergebnis sollten die Bildungstests vielleicht doch noch mal
überprüft werden. Setzen sich die wahren Finnen bei den
Koalitionsverhandlungen durch, ist das zwar kein Gegenbeweis dafür,
dass die Finnen einfache Rechnungen meistern können. Doch gehört
ihnen dafür in den Kopfnoten ein Ungenügend für solidarisches
Verhalten in Europa und fehlende Berechenbarkeit.
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Andreas Kolesch
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