Ganz klar. Die Sache ist einen handfesten 
Streit, vielleicht sogar Hauskrach wert. Defizitsündern könnte 
künftig innerhalb der EU sogar das Stimmrecht entzogen werden. So 
will es Angela Merkel, offenbar auf mittlere Sicht. Schon erregt sich
die SPD im Bundestag, Berlin und Paris brüskierten Rest-Europa. Vom 
Alleingang ist die Rede, niemand habe diplomatisch vorgefühlt, ob 
solch ein Vorschlag beim heute beginnenden EU-Gipfel den Hauch einer 
Chance habe. Das ist alles richtig, allerdings auch der nüchternen 
Beratung würdig – ganz ohne Schaum vor dem Mund. Wer wie 
Griechenland, Portugal, Irland und andere die Europäische Union schon
einmal in ihren finanziellen Grundfesten erschüttert hat, kann keine 
Schonung erwarten. Der viel zu lasche Umgang mit den griechischen 
Statistikmanipulationen und – sagen wir es offen – Betrügereien 
bereits lange vor der Finanz- und Wirtschaftskrise darf sich nicht 
wiederholen.  Wer Europa voranbringen will, muss Tacheles reden. 
Nicht endlose Diplomatie, Samthandschuhe und Rücksicht auf den 
letzten Winkeladvokaten unter 27 großen und kleinen Regierungschefs 
führen weiter, sondern handfeste Risikovorsorge.  Ohne neue 
Spielregeln in der Euro-Zone geht es nicht – und ohne eine Änderung 
des EU-Vertrags möglicherweise auch nicht. Schließlich läuft der 
Euro-Rettungsschirm 2013 aus. Dann ist ein dauerhafter 
Krisenmechanismus mit ausreichender Rechtsgrundlage fällig. Nach 
europäischen Maßstäben ist das ein sehr enger Zeitrahmen. Merkel hat 
gar keine andere Chance, als die bekannt langsam mahlenden Mühlen in 
Brüssel auf Schwung zu bringen. In einem ersten Schritt wird heute 
und morgen der Plan des ständigen EU-Ratspräsidenten Herman Van 
Rompuy gebilligt, wonach Defizitsünder schneller und härter bestraft 
werden. Zur Durchsetzung eines Stimmrechtsentzugs muss es aber einen 
neuen Stabilitätspakt geben, der kleineren und schwächeren Ländern 
nicht schmecken wird.  Vertragsänderungen sind bekanntermaßen extrem 
aufwändig. Wir erinnern uns an das schier unendliche Verfahren zur 
Billigung des Lissabon-Vertrages durch alle Parlamente der EU – 
Volksabstimmungen, teilweise mit Wiederholung, und Sonderwege der 
Polen und Tschechen eingeschlossen. All das kann nicht als 
Gegenargument herhalten. Schließlich geht es darum, nicht noch einmal
von einer Weltfinanzkrise kalt erwischt zu werden. Denn das müsste 
allen Beteiligten klar sein: Noch einmal wird es einen Rettungsschirm
von 750 Milliarden Euro für klamme EU-Staaten nicht geben. Merkel 
muss ihren mutigen Weg bei EU-Gipfel heute in Brüssel und bei Treffen
der G20 Ende November weitergehen. Nur so hält sie die 
Gemeinschaftswährung Euro stabil, nach dem alle, die jetzt gegen die 
harte deutsche Linie aufbegehren, im Krisenfall wieder rufen werden.
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