Es war wohl der ehrlichste Auftritt, den man von
Karl-Theodor zu Guttenberg in der Plagiatsaffäre gesehen hat. Warum
nur, fragt man sich, hat er so eine Rede nicht viel früher halten
können? Fakt ist: Er hat es nicht getan, und so bleibt der Schaden
enorm – für ihn, für die Union und vor allem für Angela Merkel.
Guttenbergs Rücktritt kommt spät und ist nur konsequent, weil er für
alle politischen Ämter gilt. Immerhin geht sein Rücktrittsgesuch
glaubhaft von ihm aus, weil die Kanzlerin erst vorgestern ihre
Rückendeckung für den Verteidigungsminister hatte erneuern lassen und
gestern von seinem Entschluss überrascht, ja regelrecht düpiert
wurde. Frei von Attitüde und Ungereimtheiten aber war auch dieser
Auftritt nicht. Guttenbergs Einlassung, er habe mit dem Rücktritt
gewartet, um die Würde der drei in Afghanistan gefallenen Soldaten zu
wahren, ist Quatsch. Bis Freitag vorletzter Woche hätte er sich
längst erklären können. Gewaltiges Unbehagen bleibt auch, weil die
Kardinalsfrage weiter unbeantwortet ist: Wie soll es so gravierende
Fehler an so vielen Stellen einer Dissertation geben, ohne dass sich
der Autor ihrer bewusst ist? Die Uni Bayreuth tut gut daran, dieser
Frage weiter nachzugehen. Es geht um die Selbstachtung des deutschen
Wissenschaftsbetriebs. Falsch ist auch Guttenbergs Behauptung, er
hinterlasse ein bestelltes Haus. Die Bundeswehrreform ist bloß ein
Etikett. Das Problem der Rekrutengewinnung scheint ungelöst zu sein,
die Frage der Standortschließungen bietet eine offene Flanke.
Nachfolgekandidaten für den Posten des Verteidigungsministers –
ohnehin ein Schleudersitz – dürften da nicht gerade Schlange stehen.
Gut möglich, dass Angela Merkel zu einer größeren Kabinettsumbildung
gezwungen sein wird. Und das, wo sie doch schon eine kleine vermeiden
wollte. Die Affäre Guttenberg lastet nun voll und ganz auf der
Kanzlerin. Ihre kühl kalkulierte Treue hat nichts genutzt. Der große
Hoffnungsträger der Union ist weg, aber keine Landtagswahl ist
gewonnen. Dafür steht ihre Einlassung, nach der man den Politiker vom
Wissenschaftler Guttenberg trennen müsse, weiter quer im Raum. Auch
bleibt das Credo, wissenschaftliche Grundsätze im Zweifel für
nachrangig zu erklären, einer Doktorin und Verfechterin der Idee von
der »Bildungsrepublik« schlicht unwürdig. Was das für die
Wahlaussichten der CDU insbesondere in Baden-Württemberg bedeutet,
ist unkalkulierbar. Zwischen Befreiung und Ballast scheint alles
möglich zu sein. Bleiben wird der bittere Beigeschmack, dass die
Union für den kurzfristigen Erfolg bereit zu sein schien,
Grundüberzeugungen und ein stabiles Wertesystem über Bord zu werfen.
Nur gut, dass mit Bundestagspräsident Norbert Lammert und
Wissenschaftsministerin Annette Schavan zwei renommierte Köpfe der
CDU der Versuchung widerstanden, Politik vollends nach Stimmungslage
zu betreiben. Am Ende kann man erleichtert sein, dass Guttenberg
abtritt. Freuen muss man sich nicht darüber, denn ohne Zweifel
verliert Deutschland eines der größten politischen Talente, das die
jüngere Vergangenheit hervorgebracht hat. Doch politisches Talent
allein reicht eben nicht. Die Menschen in diesem Land und auch wir
Medien tun gut daran, die richtigen Schlüsse aus dieser banalen
Erkenntnis zu ziehen. Der politische Betrieb mag uns oft zu dröge und
die Sehnsucht nach dem »anderen Politiker« groß sein. Der Hype um
Guttenberg hat das auf erschreckende Weise gezeigt. Wer aber die
Politik verleitet, ihre Schwerpunkte zu verschieben, darf sich über
die unguten Folgen nicht wundern. Dazu gehört es übrigens auch, schon
im Moment des Rücktritts eines Politikers über sein Comeback
nachzudenken.
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