Wirkliche Klarheit über die tatsächlichen
Beweggründe des Horst Köhler für seinen Rücktritt vom höchsten
deutschen Staatsamt am 31. Mai letzten Jahres hat es am Mittwoch
nicht gegeben. Außer, man lässt die schon damals gezeigte Entrüstung
darüber gelten, dass er in Vielem missverstanden worden sei. Tatsache
ist, dass Köhler im Frühjahr 2010 vom »Spiegel« und anderen großen
Blättern, die sich als »Qualitätszeitungen« verstehen, sehr kritisch
beobachtet und auch bewertet worden war. Dabei hätte ihm klar sein
müssen, dass auch Staatsoberhäupter in einer freiheitlichen
Demokratie nicht unantastbar sind. Johannes Rau, Karl Carstens und
Heinrich Lübke haben auch phasenweise mit medialem Gegenwind zu
kämpfen gehabt, ohne dass sich jemand Majestätsbeleidigung verbeten
hätte. Es ist zu hoffen, dass das vollständige Interview, mehr noch
Köhlers angekündigte Erinnerungen mehr Aufklärung bieten über einen
so noch nie erlebten Amtsverzicht. Köhler sollte dabei auch ein wenig
Selbstkritik erkennen lassen, es täte ihm und seinem Renommee gut.
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