Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Nigeria

So ist Afrika: Die Ehefrau des nigerianischen
Präsidenten Goodluck Jonathan kann Kritik an ihrem Ehemann nur schwer
ertragen. Deshalb hat die First Lady zwei Mütter verhaften lassen,
die die Regierung beschimpft haben. Voller Verzweiflung über die
drohende Versklavung ihrer Töchter hatten sie dem Präsidenten dessen
offenkundige Unfähigkeit vorgehalten.

So ignorant wie die Führungskaste in mehreren schwarzafrikanischen
Staaten mit ihren Subalternen umgeht, so desinteressiert ist die
westliche Welt an den Dramen des schwarzen Kontinents. Nigeria ist
nicht Ukraine und auch nicht Syrien. Die Arroganz schwarzer Chiefs
und die Oberflächlichkeit hierzulande fallen zusammen,

– wenn im Südsudan gerade ein neuer Machtkampf eine Million
Menschen in schwersten Hunger treibt,
– wenn ein Kriegsherr namens Joseph Kony jahrelang in Ugandas
Norden hunderte Kindersoldaten unter Kuratel zwingt,
– wenn im Osten des Kongo Ärzte getötet und Dutzende Menschen im
illegalen Bergbau erst ausgebeutet und dann verschüttet werden.

Vielleicht ist das diesmal anders. Das Schicksal von 223
verschleppten jungen Frauen rüttelt die Welt auf. Das Interesse der
globalen Medien war begrenzt, solange die islamistische Terrorgruppe
Boko Haram christliche Kirchen etwa während eines
Weihnachtsgottesdienstes 2011 anzündete. Erst am Montag, als
Terrorchef Abubakar Shekau von Sklaverei sprach, wurde die Welt wach.
»Ich werde sie auf dem Markt verkaufen.« Halten wir fest: Nicht die
seit Beginn der Entführung vor drei Wochen bekannten Nachrichten,
sondern die großmäuligen Erklärungen des Boko-Haram-Chefs rütteln
auf. Die USA wollen bei der Suche nach den Frauen helfen,
Großbritannien ist entrüstet und auch die Bundesregierung äußert ihre
Bestürzung.

Mehr sei von Deutschland aus nicht möglich, mag man einwenden.
Richtig, aber Nigeria ist kein armes Land. Es nennt riesige Ölvorräte
sein Eigen. Das Land könnte, wenn es wollte, nicht nur boomen,
sondern auch blühen. Seine Eliten und Konzerne sind zudem auf die
Errungenschaften der westlichen Welt angewiesen. Sie machen Geschäfte
in London, bunkern Vermögen in Zürich, schätzen US-Kliniken und
kaufen deutsche Luxusautos, je oligarcher desto protz.

Boko Haram will Frauen entrechten und das zumindest im Süden
entwickelte Land zurück ins Mittelalter zwingen. Hier setzt die
Verantwortung der Regierung ein. Obwohl Nigeria seit 1999 eine
Demokratie mit Wahlen und rechtsstaatlichen Institutionen ist, ist
die Regierungsführung beklagenswert. Die Führung hat es versäumt,
Bildung für alle zu schaffen und armen Menschen Chancen zu geben.
Boko Haram ist ein Produkt der Unfähigkeit von oben. So können im
Norden Homosexuelle gesteinigt und selbst Kinder hingerichtet werden
– den Präsidenten stört–s nicht.

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261

Weitere Informationen unter:
http://