Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Obama

Bisher konnte US-Präsident Barack Obama mit
demokratischen Mehrheiten im Kongress regieren. Doch nun wird seine
Partei in den US-Kongresswahlen Anfang November voraussichtlich
geschwächt. Das hat Konsequenzen für Obamas ehrgeizige Außenpolitik,
da der Präsident von der Unterstützung durch den Kongress abhängt.
Nun müsste Obama das Entgegenkommen der Opposition suchen und um
Mehrheiten ringen. Doch je mehr sich der Präsident den
oppositionellen Republikanern nähert, desto mehr verwässert er seine
eigene Politik. Obamas außenpolitische Bilanz ist beachtlich: Er hat
die US-Kampftruppen aus dem Irak abgezogen und einen Krieg beendet,
den er nicht gewollt hat, aber übernehmen musste. Er hat den Rückzug
aus Afghanistan für 2011 angekündigt und den Druck auf den Iran mit
Hilfe der EU erhöht. Obama hat eine Zweistaatenlösung von Israel und
Palästina gefordert, eine Vermittlungsrolle im Nahostkonflikt
angeboten und Netanjahu und Abbas an den Konferenztisch gebracht. Und
er hat Zusammenarbeit und Partnerschaft innerhalb der Vereinten
Nationen gelobt und auf dem Atomgipfel 46 Teilnehmerstaaten zur
Sicherung von spaltbarem Material verpflichtet. Das sind ansehnliche
Erfolge. Welche Kompromisse könnte Obama eingehen? Da Fragen der
nationalen Sicherheit primär von Republikanern besetzt werden, könnte
die Opposition eine Verlängerung der US-Präsenz in Afghanistan
fordern. Der »Friedenspräsident« Obama wäre dann gezwungen, den
Afghanistan-Krieg hinauszuzögern. Dann säße er in der Falle, die der
Politologe Andrew Bacevich kürzlich »permanente US-Kriegführung«
genannt hat: Amerika, so Bacevich, habe nichts aus dem Vietnamkrieg
gelernt und führe Dauerkriege im Irak, in Afghanistan und gegen den
»Terror«. Die Republikaner werfen Obama Nachgiebigkeit gegenüber dem
Iran in der Atomwaffenfrage vor. Manche republikanische
Kongressabgeordnete plädieren für einen israelischen Präventivkrieg.
Das Säbelrasseln der Republikaner soll den Eindruck verstärken, sich
ernster um die nationale Sicherheit zu kümmern als die Demokraten.
Das kommt bei manchen »rechten« Wählern gut an. Auch Obamas Umwelt-,
China- und die Abrüstungspolitik könnten unter Kompromisszwang
geraten. Sein großes Energiegesetz hat zwar das Repräsentantenhaus
passiert, bleibt aber im Senat stecken. Die Republikaner könnten den
neuen Raketenabrüstungsvertrag mit Russland im Senat blockieren, und
der aktuelle »Währungskrieg« mit China könnte durch republikanische
Intervention eskalieren. Somit wäre es eine Ironie der Geschichte,
wenn innenpolitische Themen den zukünftigen außenpolitischen Kurs der
Obama-Regierung beeinflussen und dadurch Amerikas Rolle in der Welt
folgenschwer verändern.

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